Accra: Roman (German Edition)
Danke.«
Dawson setzte sich auf die Seite des Schreibtisches mit dem Computer. »Also. Du wolltest mit mir sprechen. Hier bin ich.«
Vielleicht machte er ihr Angst, oder sie war schüchtern oder beides. Unsicher blickte sie zu Regina, die weit weniger scheuwar und sagte: »Mr. Dawson, Sir, wir waren schon gestern hier, aber da hat man uns gesagt, dass Sie nicht hier sind und wir heute wiederkommen sollen.«
Dawson kommentierte ihre Worte nicht, denn dass er nicht erfuhr, wer nach ihm gefragt hatte, war leider typisch. Allzu oft nahmen die Mitarbeiter am Empfang keine Nachrichten entgegen, weder schriftliche noch mündliche, geschweige denn, dass sie sie weitergaben. »Kommen Sie morgen wieder«, lautete die übliche Antwort gegenüber Besuchern, die nach einem CID-Officer fragten.
»Tut mir leid, dass ich so schwer zu finden war, Akosua.« Dawson sprach das Mädchen an statt Regina, um es zu ermutigen. »Du sagst, der Junge auf dem Bild ähnelt deinem Freund?«
»Ja, Sir«, antwortete sie leise und knetete die Hände im Schoß.
»Wie heißt er?«
»Sein Name ist Musa Zakari, Sir. Ich habe ihn seit zehn Tagen nicht gesehen. Als ich das Bild in der Zeitung sah, wusste ich, er ist es.«
Regina zog ein Handy aus ihrer Jeans. »Mr. Darko, ich habe vor ein paar Wochen Fotos von Akosua und Musa gemacht. Gucken Sie die an, dann sehen Sie, wie er aussieht.«
Dawson und Chikata stellten sich zu ihr, um auf das Display zu sehen. Akosua schaute zu, wie Regina vier Fotos hintereinander aufrief, alle mit Musa darauf. Eines stach Dawson besonders ins Auge: Musa stand hinter Akosua, hatte die Arme um sie geschlungen und schmiegte seinen Kopf lächelnd an ihre Wange. Eine Zeichnung mit einem Foto zu vergleichen war oft schwierig, und die Gesichtszüge glichen nicht hundertprozentig dem Bild von Kirezi. Aber das Lächeln. Es war das Lächeln mit dem fehlenden Eckzahn, das jeden Zweifel ausräumte. Kirezi hatte dieses Lächeln perfekt eingefangen.
»Das ist ein hübsches Bild von dir und Musa«, sagte Dawson zu Akosua.
Sie lächelte scheu und wirkte zugleich sehr traurig.
»Wie hat er seinen Zahn verloren?«, fragte Dawson.
Akosua räusperte sich. »Das war vor etwa drei Monaten, Sir. Ein paar Diebe auf dem Agbogbloshie-Markt haben ihn verprügelt und ihm sein Geld gestohlen. Sein Mund blutete, und der Zahn war locker. Er tat ihm weh, da hat er ihn rausgezogen. Erst wollte er ihn wegschmeißen, aber ich hab gesagt, nein, gib ihn mir, und er hat gesagt, ach, was willst du denn damit? Und ich hab gesagt, ich mache mir eine Kette, an die ich ihn hänge. Und wenn ich sie umhabe, weiß ich, dass du bei mir bist, auch wenn du gar nicht da bist.«
Ohne Vorwarnung liefen ihr wieder Tränen übers Gesicht, und sie stieß ein Wimmern aus.
Regina gab ihr ein Taschentuch und rieb ihr tröstend über den Rücken. »Du machst das gut«, sagte sie.
Dawsons drückte dem Mädchen die Hand. »Ich weiß, dass es hart ist. Versuch’s für mich, ja? Ich bin sehr froh, dass du zu mir gekommen bist.«
Sie presste sich das Taschentuch gegen die Augen. Dawson ließ ihr Zeit, sich wieder zu fangen, ehe er fragte: »Hast du dir eine Kette mit dem Zahn gemacht?«
Akosua nickte und zog ein schmieriges Stück Papier aus ihrer Tasche. Vorsichtig faltete sie es auseinander und enthüllte ein dünnes Lederband, an dem nichts als ein einzelner Zahn hing. Dawson hob die Kette hoch und betrachtete sie. Der Zahn, eindeutig ein Eckzahn, war blendend weiß und glatt wie eine Perle. In einem winzigen hineingebohrten Loch an der Wurzel war eine kleine Metallöse befestigt, durch die das Lederband gefädelt war. Dawson spürte jenes Kribbeln, das mit einem Durchbruch bei den Ermittlungen einherging.
»Hast du die Kette gemacht, Akosua?«
Sie schüttelte den Kopf. »Reginas Mann. Er macht Schmuck im Kulturzentrum.«
»Schön.« Dawson lächelte Regina zu, die vor Stolz strahlte.
Dann sah er zu Chikata. »Kannst du uns noch einen Stuhl holen?«
»Klar.« Chikata verließ den Raum.
»Wann hast du Musa zum letzten Mal gesehen?«, fragte Dawson Akosua.
»Vorletzten Samstag.«
»Das war der fünfte Juni, also der Tag, bevor die Leiche gefunden wurde.«
»Ja, Sir.«
»Wo hast du Musa an dem Tag getroffen?«
»Auf dem Nima-Markt.«
»Um welche Zeit?«
»Abends, so um sechs.«
»Hat Musa in Nima gewohnt?«
»Nein, Sir. Er war mal hier, mal da. Er war ein Karrenjunge und immer da, wo es Arbeit gab.«
»Also hat er auf der Straße gewohnt?«
»Ja,
Weitere Kostenlose Bücher