Accra: Roman (German Edition)
der allgegenwärtige Schweißgeruch mit den Aromen, die aus Bergen von Zimt, Kumin und Thymian aufstiegen, dass Dawson niesen musste. Die Fischstände hinter dem Gewürzmarkt kamen einem olfaktorischen Frontalangriff gleich. Dawson beobachtete genau, wohin Akosua ging. In Nima gelangte man stets über mehr als einen Weg irgendwohin, also war noch nicht klar, ob sie ihn zu dem Daramani führte, den Dawson kannte. Akosua bog scharf nach rechts auf einen Weg, der sie aus dem Marktgewühl bringen würde. Nach und nach wurde es ruhiger um sie herum, bis sie ein Wohnviertel erreichten, in dem die Häuser teils gemauert, teils aus Holz waren. Manche der Straßen waren gepflastert, andere bestanden nur aus festgetretener roter Erde. Die Abwassergräben an den Seiten – überfüllt und stinkend – erinnerten an die in Agbogbloshie.
Akosua blieb stehen und blickte sich um.
»Verlaufen?«, fragte Dawson, in dem sich die verrückte Hoffnung regte, sie würde das Haus nicht wiederfinden.
Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Hier lang, glaub ich«, sagte sie und ging weiter.
Zufällig nahm sie einen Weg, der sie durch die Puffstraße führte, genannt 4-4-1. Tagsüber war dort nichts los, aber am Abend lebte diese Gasse auf. Akosua bog erneut ab, doch diesmal hielt Dawson sie sanft zurück.
»Hier sollten wir nicht langgehen.«
Sie standen vor einer von Nimas Drogengassen, wo gerade vier Typen Wee rauchten und Kokain schnupften. Die Männer hatten leblose Augen in eingefallenen Gesichtern und sahenaus, als hätten sie seit Wochen nichts gegessen. Am anderen Ende der Gasse, in der dreckigen öffentlichen Toilette, fand womöglich gerade ein Drogengeschäft zwischen einem Dealer und irgendeinem reichen Typen statt, der im SUV vorgefahren war, oder sogar einem Polizisten.
Akosua wechselte die Richtung und schien wieder zu wissen, wohin sie musste. Als sie eine Gasse hinuntergingen, deren eine Seite im Schatten lag, während sich die andere in gleißender Sonne aufheizte, und an einem Kerl mit Dreadlocks und einem Totenkopf-T-Shirt vorbeikamen, schwand Dawsons letzte Hoffnung. Dies war der Weg zu dem Wee-rauchenden, vorbestraften Daramani Gushegu, den er kannte. Lass sie abbiegen, lass sie abbiegen, bitte! Er betete, dass sie doch noch eine andere Richtung einschlug, was sie jedoch nicht tat. Stattdessen blieb Akosua wieder stehen.
»Ich will nicht, dass er mich sieht«, sagte sie zu Dawson.
»Okay, kein Problem. Sag mir einfach, welches Haus es ist, dann gehst du um die Ecke und wartest auf mich.«
»Nummer drei links. Das gelbe.«
Sie verschwand. Dawson näherte sich dem Haus, das nur teils gelb gestrichen war. Offenbar war irgendwann die Farbe ausgegangen. Nach vorn hinaus gab es ein kleines Fenster mit einem rissigen Moskitonetz. Am Rand des rostigen Blechdachs klemmte eine Antenne. Anscheinend besaß Daramani neuerdings einen Fernseher. Er musste also doch ganz gut zurechtkommen, trotz seiner Klage, dass das Leben in Ghana heutzutage zu hart wäre.
Dawson blickte sich in der Gasse um, ehe er an die klapprige Holztür klopfte. Niemand öffnete. Die Tür war zwar verriegelt, doch hätte er gewollt, wäre Dawson mit Leichtigkeit hineingekommen. Nein, du hast schon genug Schwierigkeiten.
Nach kurzem Überlegen schrieb er eine Nachricht, dass Daramani ihn anrufen möge, und schob sie unter der Tür hindurch.
10
Dawson bat Baidoo, nach Agbogbloshie zu fahren, wo sie Akosua absetzen würden. Unterwegs versuchte er es zum zweiten Mal an diesem Tag bei Wisdom, den er diesmal erreichte und dem er die neuesten Entwicklungen berichtete. Er erzählte ihm von dem Foto auf Reginas Handy.
»Ich maile Ihnen das Bild«, sagte Dawson. »Allerdings möchte ich, dass Sie nur den Ausschnitt mit Musas Gesicht verwenden.«
»Dürfen wir das dann veröffentlichen?«
»Sobald wir die Bestätigung vom Labor haben, dass der Lagunenjunge und Musa ein und dieselbe Person sind, ja. Vorher nicht.«
»Wohin schicken Sie die DNA-Proben? Nach Südafrika?«
»Nein, wir lassen Sie am Korle Bu abgleichen.«
»Hmm, na dann, viel Glück.«
»Seien Sie nicht so zynisch. Ich muss Sie um noch einen Gefallen bitten.«
»Was immer Sie wünschen, mein teurer Inspector.«
»Drucken Sie das Foto bitte einmal vollständig aus, mit Akosua, damit das Mädchen es behalten kann.«
»Mach ich. Schicken Sie mir das Bild rüber.«
»Danke, Wisdom.«
Nachdem er das Gespräch beendet hatte, fragte Dawson Akosua, wie lange sie das Handy ihrer
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