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Accra: Roman (German Edition)

Accra: Roman (German Edition)

Titel: Accra: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kwei Quartey
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1
    Der Anruf kam an einem Sonntagmorgen im Juni.
    »Ich glaube«, sagte Detective Sergeant Chikata, »bei dem Fall brauchen die uns.«
    Auf seinem Honda-Motorrad brauste Detective Inspector Darko Dawson an den Industrieanlagen entlang der Ring Road West vorbei. Der tote Junge lag nahe der Korle-Lagune, wohin Dawson es binnen einer Viertelstunde schaffte. Selbst mit geschlossenen Augen hätte er es dorthin gefunden, denn der Fäulnisgestank war unverkennbar.
    Er bog in die Abossey Okai Road, die zwei Brücken bildete. Die erste führte über den abwasserverseuchten Odaw River, der in die Lagune floss. Auf dem Agbogbloshie-Markt zu Dawsons Linker und dem Kokomba-Markt zu seiner Rechten wimmelte es von Sonntagskäufern und fliegenden Händlern, die alles von Bananen bis Taschenkrebsen feilboten.
    An der zweiten Brücke, die einen sehr viel kleineren Kanal mit teerig verdrecktem Wasser überspannte, mischten sich Marktstände, die von Regenschirmen beschattet wurden, mit Fußgängern, Handkarren und Autos zu einem mehr oder minder geordneten Chaos. Dawson parkte seine Honda und schloss sie ab. Zu beiden Seiten der Brücke scharten sich Schaulustige an den Ufern. Mit seinen über ein Meter achtzig konnte Dawson über die Köpfe der meisten Leute hinwegblicken. Detective Sergeant Chikata und ein Uniformierter, den Dawson nicht kannte, befanden sich etwa hundert Meter weiter am Südufer. Beide rahmte ein apokalyptisch anmutender, dichter schwarzer Rauch ein, der von irgendwo weiter stromaufwärtskam. Detective Superintendent Bright und drei Leute von der Kriminaltechnik, alle mit Atemmasken, Handschuhen und Überschuhen ausgestattet, bewegten sich knietief in der fauligen Schlacke.
    Dawson ging um die Menge herum und bahnte sich einen Weg ans Ufer. Alles war bedeckt von Müll, das meiste leere PET-Flaschen, die achtlos weggeworfen wurden. Der Rest des Mülls bestand aus Konservendosen, Altkleidern, Müllsäcken, Maschinenteilen, alten Reifen, Kokosnussschalen und nicht zu identifizierenden Metall- oder Plastikteilen. Es war auch organischer Abfall darunter, den Dawson auf keinen Fall mit den Schuhen berühren wollte. Manches davon lag oder schwamm lose herum, anderes in »fliegenden Toiletten«, wie die schwarzen Müllsäcke mit Exkrementen genannt wurden.
    Der unglaublich gut aussehende Detective Sergeant Chikata, der Dawson in der Mordkommission des Criminal Investigations Department, kurz CID, direkt unterstellt war, blickte auf, als Dawson näher kam.
    »Morgen, Dawson.«
    »Morgen, Chikata.«
    »Eine männliche Leiche wurde heute Morgen da drinnen gesehen.«
    »Wer hat uns gerufen?«
    Chikata stellte den bulligen Mann mit den kalten Augen vor, der neben ihm stand: »Das ist Inspector Agyekum. Er hatte heute Morgen Dienst in der Korle-Bu-Dienststelle.«
    Agyekum war ranggleich mit Detective Inspector Dawson, aber als Revierpolizist trug er die schwere, erstickende dunkelblaue Uniform des Ghana Police Service, auch GPS genannt, nicht Zivil wie die CID-Leute.
    »Morgen, Inspector.« Dawson schüttelte ihm die Hand, was er mit dem üblichen Fingerschnippen beendete.
    »Ich hatte gerade meine Schicht begonnen, als ein kleiner Junge zum Revier kam«, erzählte Agyekum. »Das da drüben ister, bei Constable Gyamfi.« Er wies mit dem Kinn ein Stück das Ufer hinauf, wo sich ein Police Constable über einen Jungen beugte, der etwa acht Jahre alt war und mit gesenktem Haupt auf dem verdreckten Boden hockte, die Arme fest um den hageren Oberkörper geschlungen.
    »Die Leiche haben viele Leute gesehen«, fuhr Agyekum fort, »aber weil sie Angst vor der Polizei haben, halten sie den Mund. Der Junge ist als Einziger von sich aus hinüber zum Korle-Bu-Revier gelaufen und hat es gemeldet.«
    »Ein mutiger junger Mann«, sagte Dawson mit einem anerkennenden Blick zu dem Jungen. »Und dann?«
    »Constable Gyamfi hat die Anzeige aufgenommen und sie mir gebracht«, antwortete Agyekum. »Dann sind wir beide mit dem Jungen hierher. Und als ich die Leiche gesehen habe, dachte ich, ich rufe lieber die Mordkommission.«
    »Sehr gut.« Dawson nickte. »Danke.«
    Dawson kannte Police Constable Gyamfi von einer früheren Ermittlung, die Jahre zurücklag. Er winkte ihm zu, und der Constable lächelte halb winkend, halb salutierend.
    »Mr. Bright ist ziemlich sicher, dass es Mord war«, erklärte Chikata.
    »Dann ist es das wahrscheinlich auch«, sagte Dawson.
    Deputy Superintendent Bright, ein ausgebildeter Serologe, leitete die Kriminaltechnik,

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