Accra: Roman (German Edition)
Sir.«
»Hatte er Verwandte in Accra?«
»Nein, Sir. Er kam aus dem Norden. Hier hatte er niemanden.«
Chikata kehrte mit einem geliehenen Stuhl zurück, und Dawson nahm Platz, um Akosua gegenüberzusitzen, statt sich zu ihr hinunterzubeugen. So musste sie nicht zu ihm aufsehen, was sie zusätzlich einschüchterte, und er wollte, dass sie sich ein wenig entspannte.
»Was du getan hast«, sagte er, »dass du uns Musas Zahn gebracht ist, war sehr gut, Akosua, denn wir können ihn jetzt im Labor testen lassen und sehen, ob er zu dem Jungen aus der Lagune gehört. Falls ja, wissen wir, dass es Musa ist.«
»Ja, Sir.«
»Leider müssen wir den Zahn dazu eine Weile hierbehalten«, erklärte Dawson. »Wir machen ihn nicht kaputt, versprochen. Wir müssen nur ein winziges Stück davon entnehmen, so winzig, dass du es gar nicht sehen wirst. Verstehst du das?«
»Ja, Sir.«
»Der Kampf mit den Dieben, von dem du erzählt hast, hast du den gesehen?«
»Nein, da war ich nicht bei ihm.«
»Wie alt ist Musa?«
»Sechzehn, fast siebzehn.«
»Und wie alt bist du?«
»Siebzehn.«
»Kennst du irgendjemanden, der Musa nicht mag?«
Sie schüttelte den Kopf. »Jeder mag ihn.«
»An dem Abend, als du mit Musa auf dem Markt warst, wann habt ihr euch da getrennt?«
»So gegen sieben. Ein Freund von ihm kam, um Musa zu helfen, etwas nach Maamobi zu bringen.«
»Kanntest du den Freund? Weißt du, wie er heißt?«
»Ich weiß, dass er Daramani heißt, aber ich kenne ihn nicht gut.«
Daramani . Dawson verkrampfte sich, beruhigte sich jedoch gleich darauf wieder. Gewiss gab es unzählige Daramanis in Accra, nicht bloß den einen, den er kannte.
»Weißt du, wo dieser Daramani wohnt?«
»Er wohnt in Nima. Ich war einmal mit Musa bei ihm.«
Nima . Wo auch der Daramani wohnte, den Dawson kannte.
»Wie alt ist dieser Daramani?«
»Weiß ich nicht«, sagte sie und ergänzte: »Älter als ich.«
»Magst du ihn?«
»Nein«, antwortete Akosua verlegen. »Er guckt mich immer an, als wenn er mit mir zusammen sein will.«
»Glaubst du, dass er eifersüchtig auf Musa ist?«
»Weiß ich nicht.«
»Wenn wir mit dir nach Nima fahren, kannst du uns sein Haus zeigen?«
»Ich glaube schon. Aber ich will nicht, dass er mich sieht.«
»Okay, das ist kein Problem.«
Dawson stand auf, und Chikata tat es ihm nach.
»Du bleibst hier«, wies Dawson ihn schroff an.
Chikata war verdutzt. »Wieso soll ich nicht mitkommen?«
»Weil es nicht nötig ist, dass wir beide den Mann befragen. Und du hast noch reichlich Papierkram zu erledigen. Komm mit, Akosua.«
Als sie aus dem Büro gingen, konnte Dawson fühlen, wie ihm Chikatas verwirrter Blick Löcher in den Rücken brannte.
In Nima herrschte das für einen Wochentag typische Gewusel. Männer und Frauen bahnten sich mit Waren beladen einen Weg durchs Gedränge und wichen hupenden Autos aus. Karrenjungen, auf deren sperrigen Wagen sich Altmetall, Motorblöcke und Computer türmten, drängelten sich durch den dichten Verkehr. Auf den Gehwegen hatten sich die Händler breitgemacht, die keinen Platz mehr auf dem Markt fanden, was zur Folge hatte, dass sich Fußgänger und Autofahrer die schmalen Straßen teilen mussten. Es war ein erbitterter Kampf.
Akosua saß auf der Rückbank, Dawson vorn neben Baidoo. Das Chaos scherte Dawson nicht weiter, denn er war viel zu sehr mit dem Durcheinander in seinem Kopf beschäftigt. Du hast Panik bekommen. Ja, er hatte Angst gehabt, dass Akosuas Daramani derselbe war, den er kannte, und dass sein »anderes Leben« in dieser Ermittlung zum Vorschein kommen könnte, und deshalb hatte er Chikata befohlen, nicht mitzukommen. Auf einmal kam sich Dawson korrupt vor und schämte sich.
»Ich glaube, wir können hier anhalten«, sagte Akosua. »Sein Haus ist irgendwo da hinten.«
Baidoo lenkte den Wagen an den Straßenrand und schaffte es irgendwie, einen Parkplatz neben einem Farben- und Werkzeugladen zu ergattern. Dawson und Akosua stiegen aus und bahnten sich ihren Weg durch den Verkehr auf dem Nima Highway. Dawson ließ das Mädchen auf den engen Marktgängen vorangehen, wo die Händler so dicht gedrängt standen, dass zwischen ihnen nur Zentimeter Platz waren. Wann immer hinter ihnen Agoo! gerufen wurde, wichen sie zur Seite aus, um die Leute vorbeizulassen, die schwere Getreide- oder sonstige Ladungen trugen oder schoben. Falls diese nämlich auch nur eine Sekunde lang aus dem Schwung kamen, gab es ein Desaster.
Unter der gnadenlosen Sonne vermengte sich
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