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Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Titel: Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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(Krämpfe), gewürzt mit Zink (Abwehr) sowie den Vitaminen A bis Z. Erst der Schuss Selen (Bindegewebe) aber rundet ein Bouquet ab, das allerdings ohne eine Spur Acetylcholin (Gefäßerweiterung, leider auch Darmtätigkeit) und einem Ideechen Glukosaminsulfat (Knorpel) nicht rund wäre.
    Modedroge des Frühjahrs ist die Aminosäure. Ohne Alanin (Glukoseaufbau), Isoleucin (noch mehr Muckis), Tryptophan (Wachstum) und Valin (gutes Wetter) gehe ich gar nicht aus dem Haus. Damit das gute Gewissen nicht zu kurz kommt, pfeife ich noch ein paar Naturprodukte ein: Apfelessigkapseln (Glykogenspeicher), Grünlippmuschelextrakt (Gelenke) und Weizenkeimessenz (weiß ich nicht mehr). Davon merke ich zwar genauso wenig wie von dem anderen Zeug. Aber wenn ich den Öko-Krempel zur Pharmazie dazu kaufe, dann habe ich Plus auf meinem Gutmenschenkonto und kann mir das Mülltrennen sparen.
    Pulver und Pillen sind für den trainierenden Mann, was für Frauen die Kosmetik ist: Weil es teuer ist, spürt man sofort deutliche Verbesserungen. Mein Dealer ist ein 150-Kilo-Ungetüm im Pitbull-Sweatshirt mit abgeschnittenen Ärmeln. Oberarme wie Ott-fried Fischers Oberschenkel, nur härter. Er gibt Kraftpulver in Farbeimergrößen ab. Allein der Einkauf hier gibt mir Stärke. Zum Glück nimmt er Kreditkarten.
    Neulich habe ich versucht, den Hersteller des Kreatins zu googeln. »Site wird überarbeitet« – klingt ja superseriös. Da keimt der Verdacht, die kaufen einen Doppelzentner Kalk im Baumarkt, füllen das Pulver um, schreiben »Amino-Carbo-Power« und »79,99 Euro« drauf.
    Guru Greif ist auch so einer: Der tut, als wäre er Trainer, dabei betreibt er eine Internet-Apotheke. Jede zweite Woche preist er einen Hinterhof-Forscher an, der bei Versuchen mit drei altersschwachen Hamstern einen Wunderstoff entdeckt hat. Und den gibt es rein zufällig vier Wochen vorm Marathon, wenn alle Panik schieben, zum Sonderpreis.

    Am schlauesten stellt es die Firma Loges an. Die mischen etwas Vitamin E mit Magnesium, Kieselerde und dem Hausfrauen-Extasy Johanniskraut, nennen es »Anabol Loges« und schreiben einen Mondpreis drauf. Großartige Idee. Kaum hört der Ausdauer-Freak »anabol«, bestellt er reflexartig, weil da ja ein winzigkleinesbisschen Illegales drin sein könnte. Ich sollte Früchtetee unter dem Namen »THCokespeedorade« auf Karls Schulhof verkaufen  – das liefe bombig.
    Läufer sind wie Techno-Teenies, die probieren jede Droge. Wenn morgen irgendwo steht, dass Gurgeln mit Klärschlamm gut fürs Tempo ist, lägen tags darauf Deutschlands Klärbecken trocken. Millionen Läufer hätten sie leer gesoffen. Und ich hätte jeden niedergeschlagen, der sich mir dabei in den Weg gestellt hätte.
    Zwei Probleme haben die ganzen Wundermittel allerdings. Erstens: Wie versteckt man all die Dosen, Flaschen und Pillenpackungen vor Mona? In vier Paar Laufschuhen bekommt man nicht viel untergebracht. Und wirklich appetitfördernd sind die speckigen Aromasafes auch nicht. Im Auto unterm Reserverrad war viel Platz, aber nur, bis das Aldi-Carnitin kam.
    Problem Nummer zwei ist gravierender: die Wechselwirkungen. Kalzium und Magnesium sollen sich aufheben, die Vitamine E und C bei zeitgleicher Einnahme sofort letal wirken. Eisen stopft, Aminosäuren und auch Magnesium führen dagegen zu unkontrollierter Darmentleerung. Kreatin lagert Wasser ein, und Zink macht schlapp.
    Eines habe ich in Selbstversuchsreihen immerhin herausgefunden: zwei, drei Eisenpillen, und die Schotten sind 48 Stunden zuverlässig dicht. Da kommt nicht mal Magnesium durch. Dazu passt Vitamin E. Am nächsten Tag gibt’s dafür Kalzium mit Vitamin-C-Beilage. Am virtuosen Einsatz der restlichen zwei Dutzend Substanzen feile ich noch.
    Neulich fragt mich mein Lauffreund Klaus Heinrich, ob bei mir denn molybdänmäßig alles im grünen Bereich sei. Berechtigte
Frage: Spontan spürte ich Mangelschmerz. Wie konnte mir das passieren, wo Molybdän doch sogar in der Stahlindustrie verwendet wird und im Raketenbau? Das sollte jeder Läufer im System haben. Und Mona wird auch keinen Verdacht schöpfen. Ich pack das Zeug einfach in meinen Werkzeugkasten.

Pillen-Power
    Mit Pillen und Pulvern ist es wie mit Onanie. Keiner redet drüber, aber fast alle probieren herum. Der Glaube des Läufers an die Allmacht der Pharmazie ist von naiver Ergebenheit.

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