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Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Titel: Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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Südamerikanische Kraftwurzeln, kanarisches Vulkanmehl, afrikanische Kakteen, dazu Aminosäuren, Kreatin, Carnitin, Kalzium, Kalium, Magnesium und alle Vitamine.
Was wirklich hilft? Keine Ahnung. Wer jeden Tag eine Hand voll Pillen einwirft, wird das meiste davon im besten Fall via Kanalisation einigermaßen problemlos entsorgen. Im schlechteren Fall werden ihn Magengrimmen und Durchfall in die Knie zwingen. Eine Magnesium-Brausetablette kann dem nicht schaden, der zu Krämpfen neigt, etwas Vitamin C im Winter ist ebenfalls nicht verkehrt. Eine Blutanalyse beim Hausarzt kann Hinweise auf Mangelzustände liefern. Frauen zum Beispiel sind mit einer Eisenpille gut bedient. Ansonsten: viel Glaube, viel Ritual und Mythos und gewaltige Gewinnmargen für die Verkäufer. Wer wirklich alles glaubt und alles nimmt, läuft mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schneller, sondern wird eher unter den wenig erforschten Wechselwirkungen
der Mittel leiden, die Nahrungsergänzung heißen, aber oftmals nah am Medikament sind. Eine vernünftige Ernährung mit Vollwertprodukten, viel Obst und Gemüse liefert womöglich mehr an Mineralstoffen und Spurenelementen als die Kombination Burger plus Pille. Einen Überblick liefert das Buch »Die Lauf-Diät« von Herbert Steffny und Dr. Wolfgang Feil sowie Achilles’ »Lauf-Gourmet«, auch wenn nach Lektüre die Verwirrung größer ist als vorher.

Gewiss, Laufen ist gut für den Körper und die Seele. Aber Achim hat festgestellt, dass sich die Eintönigkeit dieser Bewegung auch nachteilig auf die Sinne auswirken kann. Sogar ganze Körperteile ziehen sich nach einer gewissen Zeit ins Exil zurück.
    Â 
    Letztendlich dreht sich bei unserem schönen Laufsport ja alles ums Blut. Viel muss es sein, dünnflüssig auch und reichlich gute Sachen müssen drin schwimmen. Aminosäuren zum Beispiel und genug Eisen. Das Blut ist allerdings auch ein scheues Reh. Es neigt dazu, sich bei längerer Aktivität in irgendwelche geheimnisvollen Ecken des Körpers zurückzuziehen.
    Aus dem Kopf verschwindet es zum Beispiel ziemlich schnell. Deswegen gucken Läufer nach einer Stunde durchweg grenzdebil. Manche grinsen dümmlich, andere schmatzen wie Herbert Wehner oder machen komische Geräusche. Klaus Heinrich sagt, ihm fallen dann immer Lateinaufgaben von früher ein: die e-Konjugation, wenn es die überhaupt gibt, und unregelmäßige Verben: War »texi« nun das Perfekt von »tegere«?
    Jaja, okay, Läufer spinnen. Schon klar. Ich auch. Bei längeren Strecken fange ich an zu singen. Das heißt, nicht ich, sondern irgendwas in mir. Es singt mich einfach, ohne dass ich darauf Einfluss hätte, zum Glück lautlos, gedachter Gesang eben. Meistens geht es los mit »Running on empty«, von Jackson Browne.
Leider ist »Es« nicht textsicher. Ich auch nicht. Deswegen belassen wir es beim Refrain: Running on empty, running on, running blind, running on, running into the sun, but I’m running behind. Unglaublich, wie oft man so einen blöden Refrain vor sich hin singen kann.
    Wenn dann auch der letzte Tropfen Blut aus dem Hirn gewichen ist, donnert »Carmina Burana« los, immer nur die Stelle aus »O Fortuna«, wenn das Auftaktgeschrei des Chors verklungen ist und das Gewisper anfängt, das dann immer lauter wird, diese Endlosschleife der 15 Takte: Nöffnöff – nöffnöff – – – nöffnöff – nöffnöff – – – nöffnöffnööffnöööffnööffnöffnöff und so weiter. Geiler Takt zum Laufen, könnte Stunden so gehen. Carl Orff war Jogger, jede Wette.
    Irgendwann fängt es dann in den Händen an zu kribbeln. Ich mache ein paarmal eine Faust, dann ist das Gefühl ganz raus aus den Vorderläufen. Fühlt sich an wie Reinhold Messner am Nanga Parbat. Bange Blicke. Wird schon was schwarz? Hing der kleine Finger immer so lasch da rum?
    Kleiner Finger, das ist eine gute Überleitung. Das Blut hat sich also praktisch komplett aus dem Oberkörper verabschiedet, bis auf die eine dicke Pipeline von der Lunge übers Herz in die Beine. Interessant daran ist, dass diese Pipeline auf ihrem Weg nach unten das kleinste Körperteil nicht erreicht. Es wäre ja ein Leichtes, ungefähr dort, wo die Beine oben miteinander befestigt sind, ein paar Milliliter abzuzweigen, um vitale Funktionen, sagen wir mal,

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