Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer
weil sie das so gewohnt sind vom Marathon, und die Herzdame fragt am nächsten Morgen: »Hast du gestern noch lange gemacht?«
Neulich nachts robbte Mona mal wieder in eindeutiger Absicht heran. Die Voraussetzungen waren gut. Ein Tag ohne Training, dafür morgen kein Wettkampf. Mona knabberte an meinem Ohr, was mich wahnsinnig macht, und flüsterte unglaubliche Dinge. Es war ein lauer Frühsommerabend. Warme Luft strömte durch das offene Fenster. Ein rolliger Kater sang in der Ferne sein hormonpralles Lied. Ich spannte meine zahlreichen Muskeln an. »Panther« ist mein zweiter Vorname. Die Hitze kam. Geschickt turnte Mona â¦
Autsch! Ich schüttelte sie ab. Sprang auf. Steppte wie ein Hottentotte im Schlafzimmer. Der Krampf meines Lebens hatte mich erwischt. Das Knie lieà sich nicht mehr durchbiegen. Ich jaulte und riss an den Zehen. Das ganze linke Bein war hart wie Beton. Der Rest leider nicht mehr. Mona machte das Licht an und verfolgte amüsiert meinen Ausdruckstanz. »Magnesium«, röchelte ich. Mona ging in die Küche und ich zu Boden. Drei Sprudeltabletten später ging es wieder einigermaÃen. Der Abend war natürlich gelaufen. Mona hauchte einen Kuss auf meine Wange, flüsterte »Mein Held« und rollte sich in jene Decke ein, die einst mir zur Hälfte gehörte.
Ich war heute Abend nicht in der Position, in der ich mich hätte beschweren können. Also trolle ich mich in die äuÃere Ecke und versuche, meine Niederlage ganz locker zu nehmen. »Ohne
Krampf zum Vorspiel«, das wäre ein Bestseller-Titel. Egal, man muss auch mal verlieren können, sagt die gute Fee in mir. Aber nicht im Bett, und nicht beim Sport, sagt der Teufel, der leider meistens Recht hat. Ich beneide die Wanderratte. Amerikanische Wissenschaftler haben festgestellt, dass dieses Tier sich in sechs Stunden bis zu 500-mal paaren kann. Da würde Mona aber Augen machen. Für den nächsten Karneval werde ich mir ein Wanderratten-Kostüm besorgen.
Ein paar Wochen später komme ich vom Laufen nach Hause. Mona erwartet mich schon an der Tür, was selten ist. Sie hält ein weiÃes Plastikröhrchen in der Hand. Super, hat sie Epo für mich besorgt? »Du wirst noch mal Vater, Achilles«, sagt sie und fällt mir um den Hals. Ich fasse es nicht. Wir Läufer sind ja doch tolle Burschen.
Läufer und Lover
Die Durchblutung der Fortpflanzungsorgane soll durch Ausdauersport gefördert werden, auch wenn das nicht immer zu sehen ist. Ãbertraining wiederum lässt den Sexdrang deutlich zurückgehen. Ob Ausdauersportler tatsächlich ausdauerndere, bessere, durchblutetere Liebhaber sind als Normalos, ist in der Forschung nicht restlos geklärt. Der Testosteronspiegel immerhin soll bei laufenden Männern höher liegen und damit das körperliche Verlangen. Auch wenn Trainer ihren Athleten vor wichtigen Wettkämpfen Sex-Verbot erteilen, glauben die wenigsten an leistungsmindernde Auswirkungen. Die Triathletin Astrid Benöhr hält eine nächtliche Sondertrainingseinheit für entspannend. Es gilt eben für alle Muskeln: »Use it or loose it!« Für Schwellkörper übrigens auch.
Rein statistisch sind Läufer nach Frauen und Katholiken ungefähr die dritt gröÃte Wählergruppe in Deutschland. Sie sind zudem vorbildliche Bürger, Avantgardisten der globalisierten Gesellschaft und billig im Unterhalt. Es ist Zeit, eine Partei für Läufer zu gründen.
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Auch wenn man vor den meisten Politikern am liebsten einfach nur weglaufen möchte: Es gibt mindestens sechs gute Gründe, eine eigene Partei für uns Aktive ins Leben zu rufen.
Läufer sind die Idealbesetzung für jegliche Krise, denn sie kurbeln den Binnenkonsum an. Keine andere Bevölkerungsgruppe, auÃer vielleicht Zuschauer von TV-Shoppingkanälen, ist bereit, für jeden Unsinn dermaÃen viel Geld auszugeben: für absurde Pillen, Bücher, Magazine, Horror-Videos mit Doc Nightmare Strunz, für hässliche Plastikwäsche oder nur für das Startgeld eines Marathons, um sich dort die Lunge aus dem Leib rennen zu dürfen.
Vor allem aber sind sie mustergültige Energieverbrenner: Wenn, sagen wir, täglich drei Millionen Läufer eine Stunde trainieren und dabei 400 Kalorien zusätzlich verbrennen, dann macht das 200 Millionen zusätzlich verkaufte Nudelteller im Jahr, genug, um alle italienischen Restaurants im
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