Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Titel: Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
Vom Netzwerk:
Großraum Berlin zu füllen, oder rund eine Milliarde Beutel mit hochkonzentriertem Maltodextrin,
womit klar wäre, welche Aktien wirklich Rendite versprechen. Weil sie für ihr exklusives Hobby viel Geld verdienen müssen, sind Läufer meistens auch gute Steuerzahler.
    Läufer sind die Helden des Gesundheitswesens. Entweder sind sie gesund, weil sie sich so viel an der frischen Luft bewegen. So entlasten sie das System. Oder sie sind verletzt, womit sie hoch qualifizierte Arbeitsplätze in Apotheke, Rehaklinik und Kniemanschettenindustrie schaffen. Das Gleiche gilt für die Rentenkasse: Denn Läufer sterben früh, weil sie nach einer verschleppten Grippe zu früh wieder anfangen zu trainieren und am Infarkt infolge einer Herzmuskelentzündung krepieren.
    Läufer sind total verständnisvolle Menschengernhaber, wie Claudia Roth sie sich wünscht. Praktisch täglich akzeptieren sie Niederlagen, gegen sich selbst oder den Idioten, der sie auf den letzten Metern überholt hat. Und sie tragen immer T-Shirts, auf denen etwas von Frieden, Miteinander, Freude oder Umweltschutz steht. Und wie kann man eindrucksvoller seine Gefühle zeigen, als im Ziel heulend und schüttelfrostbibbernd zusammenzubrechen, um sich dann schwungvoll zu übergeben.
    Läufer sind liberale Leistungsfetischisten. Sie wollen immer besser werden, kämpfen verbissen um Millimeter, Gramm und Nanosekunden. Läufer sind hungrig, so wie es sich in globalisierten Zeiten für Sieger gehört. Es ist genau diese FDP-Mentalität, vor der Chinesen, Inder, der ganze Weltmarkt sich fürchtet. Wir sind immer noch wer: »Made in Germany« lebt, zumindest beim Volkslauf.
    Läufer sind engagierte Mitmacher, Motoren der aktiven Bürgergesellschaft. Sie organisieren Laufreisen zum Emscher-Nachttriathlon, backen Kuchen für das Geburtstagskind in der Trainingsgruppe, sie rufen sich an, wenn das Tempotraining im Stadion verlegt wird und hängen die ganze Nacht auf Facebook herum, um sich ihre Heldentaten zu berichten. Läufer haben einen Organisationsgrad, von dem etablierte Parteien nur träumen können. Wir sind Freunde, wenn auch nur Sportsfreunde.

    Läufer sichern die Demographie, denn sie sind Familienmenschen. Nicht etwa, weil sie Frauen und Kinder gerne haben – sonst würden sie ja nicht so häufig davonlaufen. Nein, sie brauchen einfach nur Personal. Wer anders als eine treu sorgende Gattin stellt sich mit klebrigen Pullen bei Marathon-Kilometer 32 in den strömenden Regen, lässt sich bei der Übergabe von ihrem entkräfteten Gatten anraunzen (»Gib schon her!«) und radelt trotzdem tapfer weiter zu Kilometer 37, wo er eine halbe Stunde später vorbeiwanken wird?
    Und nur vom ewigen Warten auf den Vater maximal gelangweilte Kinder erklären sich bereit, motivierende Schilder mit Parolen wie »Vati, du schaffst es!« oder »Unser Papa Kalle ist der Größte« zu malen.
    Um den Standort Deutschland zu retten, hilft also nur eins: die Gründung einer Läuferpartei, die Allianz der Lauffreunde, kurz ALF. Nur ALF ist in der Lage, dieses Land wieder nach vorn zu bringen: Wir können, wir wollen, wir machen. Wir stopfen keine traurigen Nelken, sondern eine getragene Socke vom Vortag ins Knopfloch, als Nachweis dauernden Bemühens um Höchstleistung, um Binnenkonjunktur, Gesundheitssystem, Demographie und Miteinander. Der Berlin-Marathon wird unser Parteitag, der Lauftreff unsere Ortsvereinsversammlung. Aber Dieter Baumann bitte nicht unser Kanzler.

Bürger Läufer
    Läufer sind in der Tat ein politisches Völkchen. Kein Provinzrennen, in dem nicht ein bewegter Athlet für oder gegen etwas demonstriert, und sei es nur mit seinem Friedens-T-Shirt vom »Run for Peace« in Harsewinkel 1987. Beim Marathon finden sich immer wieder Verrückte, die Friedensfahnen über 42 Kilometer tragen. Es ist eine schöne Geste, den Kriegsparteien auf der Welt aber wohl ziemlich egal. Warum Läufer immer Gesinnungen und Appelle loswerden müssen? Wahrscheinlich, um ihrem für die Gesellschaft eher sinn- und nutzlosen Traben irgendeine Bedeutung zu verleihen.

Walker sind nicht von Interesse. Anders verhält es sich, wenn sie weiblich sind, einem berühmten Stinktier ähneln und beim Aufwärmen wie die kleine Schwester von Marlene Dietrich qualmen.
    Â 
    Meine liebste Sportkameradin steht jeden Samstagvormittag auf dem Parkplatz am

Weitere Kostenlose Bücher