Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Titel: Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
Vom Netzwerk:
dann. Neulich hatte Klaus Heinrich seine Laufklamotten bei seiner vorübergehenden Freundin in Köln vergessen. Da kam er am Sonntagmorgen in dunkelblauem Trainingsanzug an mit Deutschland-Adler auf der Brust und Klumpfuß-Turnschuhen. »Meine alten Bundeswehr-Klamotten«, sagte er kleinlaut, »ich hab nichts anderes.« Die Resonanz am Schlachtensee war gleichwohl überwältigend. »Coole Klamotten«, rief uns schon auf den ersten Metern ein Jüngling beim Überholen zu: »Was ist das für ’ne Marke?« Mit der Gelassenheit des Trendsetters sagte Klaus Heinrich: »Leo II.«

Hauptsache teuer
    Wir versuchen, uns an die achtziger Jahre zu erinnern. Damals trugen wir beim Laufen ein T-Shirt und, wenn es kühl war, ein Sweatshirt darüber, alles Baumwolle, null atmungsaktiv. Liefen die Menschen langsamer damals, waren sie unglücklicher, kränker, öfter erkältet oder verletzt? Wahrscheinlich nicht.
Heute ist Hochtechnologie Pflicht. Von der Socke bis zur Jacke, vom Unterhemd bis zur Sohle, kein Millimeter Ausrüstung, der nicht aus der Raumfahrtforschung stammt. Schneller machen einen die Superklamotten garantiert nicht, allenfalls ein bisschen wärmer, aber viel ärmer. Es ist wie mit Hosen und Hemden aus dem Designer-Shop: Kosten das Zehnfache im Vergleich zur Grabbeltischware, sehen genauso aus, aber man fühlt sich einfach besser darin.

Ein schreckliches Los – Zellulitis. Nur wohin mit der Orangenhaut? Da hilft nur Tarnung. Ach so: Deswegen laufen so viele eigentlich knackige Läufer nicht kurzbehost durch die Gegend.
    Â 
    Ich laufe ja nur in langen Hosen. Lang heißt: bis übers Knie. Farbe? Egal. Aber die eine oder andere geschwungene bunte Linie, die den idealen Schenkelverlauf nachmalt, die darf ruhig sein. Im Sommer gucken mich die anderen immer mitleidig an, als wollten sie sagen: Guck mal, der arme Kerl hat nur die eine Hose. Das stimmt nicht. Ich habe viele Hosen. Aber immer die gleiche Länge. Diese albernen Shorts, bei denen man immer Angst haben muss, dass was rausrutscht, die mögen an exhibitionistischen Jungspunden noch ganz scharf aussehen, findet jedenfalls meine liederliche Gattin. Herren in den besten Jahren aber, die im textilen Nichts durch sonntägliche Spaziergängerhorden huschen, am besten noch riechbar verschweißt, die sollte man zurechtweisen. Wo kommen wir denn da hin? Eines Tages werden die ersten Strippen-Tangas in unserem schönen ehrwürdigen Laufsport zu sehen sein, darüber ein Sechzehnender von Arschgeweih, das nahtlos ins Schulterblatt-Branding übergeht. Und dazu ein zünftiges Augapfel-Piercing.
    Um ehrlich zu sein: Ein bisschen Bauernmalerei und ein Pfund Blech im Leib, das hat seine Vorzüge. Das lenkt nämlich ab vom
Rest. Das wäre mir ganz recht, denn ich, also, ich sage das nicht gern, aber ich, tja, wie soll ich anfangen, es ist nämlich so, dass, weil: Ich habe ein Problem, eine schicksalhafte Frauenkrankheit, um genau zu sein. Und das schon seit Jahren. Wenn ich die Haut auf meinen Oberschenkeln vorsichtig zusammendrücke, erscheint plötzlich eine gruselige Kraterlandschaft. Canyons ziehen sich durch wellige Bergrücken, auf deren Kämmen einsame Haare vegetieren, eine Gegend, die aussieht wie aus Griebenschmalz gemeißelt. Dellen, soweit das Auge reicht, nicht tief, aber zäh. Nicht wegzukriegen.
    Das ist kein feinmuskelig definiertes Athletenbein, das ist das Grauen: O-R-A-N-G-E-N-H-A-U-T. Und in Wahrheit nicht mal die, sondern was noch viel Schlimmeres. Gäbe es eine Interessenvertretung für die Rechte von Apfelsinen, Orange-Peace, dann würden die sich sofort an meinem Bein anketten. Und sie hätten Recht: Mein Bein sieht nicht nach Apfelsinenschale aus, sondern nach sehr, sehr altem Gürteltier.
    Meine Laufbekanntschaft Klaus Heinrich sagt, ich soll einen Luffa-Schwamm nehmen und immer schön in eine Richtung bürsten. Hat er beim Orthopäden in der »Brigitte« gelesen. Unmöglich. Diese Schwämme sind nach 24 Stunden im Bad doch Pilz-Plantagen. Nach einer Woche laufen alle Luffas weg, um eine klebrige Affäre mit den Sporen in der Biomülltonne anzufangen. Und was soll mein Sohn Karl denken, wenn ich nackig im Bad mit einem Schwamm an meinen Oberschenkel rumbürste. Wahrscheinlich hat bei Michael Jackson alles mit einem Luffa-Schwamm angefangen. Weil Liz Taylor ihm gesagt hat, damit kriege er die Farbe

Weitere Kostenlose Bücher