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Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Titel: Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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ab.
    Schneller laufen, empfiehlt Klaus Heinrich, das mache die Muskeln härter und exorziere die Beulenpest. Aber noch schneller laufen? Unmöglich. Das tut weh. Kieselsäure, sagt Mona. Sie bunkert eine weiße Plastikflasche mit einem Zeug im Kühlschrank, das aussieht, als könne man schwanger davon werden. Schmeckt auch so, soll aber gut fürs Bindegewebe sein.

    Das Bindegewebe sei eine völlig zu Unrecht unterschätzte Körperschicht, sagt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dieser Bayern-Arzt mit dem kanzlerdunklen Mittelscheitel. Der betet vor jedem Spiel, dass sich ein Spieler verletzt, damit er vor den Augen der Weltfrauen unglaublich schnell auf den Platz rennen kann. Mona beugt sich 89 Minuten über ihre Handarbeiten, guckt aber genau in dem Moment auf, wenn MW zum Sprint ansetzt. »Wer ist denn das da mit dem Koffer?«, fragt sie jedes Mal. Und immer antworte ich: »Nur einer von den Scheiß-Bayern.«
    Wenn MW nicht gerade mit Dr. Strunz zusammen unterm Solarium Jungbrunnenhormone einpfeift, dann trainiert er bestimmt Sprints mit Köfferchen, heimlich im Garten seiner Villa. Seine Frau muss ihn mit der Video-Kamera vom Dachfenster filmen. So hat er seinen Laufstil über die Jahre TV-gerecht perfektioniert, und den entschlossenen, besorgten, gleichwohl kompetenten Gesichtsausdruck. Der Frisör Meir hat seinen Mobilsalon auf der Terrasse aufgebaut, um den Mähnenflug zu optimieren. Das ist aber alles nur Ablenkung. Ist doch klar. Müller-Wohlfahrt hat immer lange Hosen an, wenn er auf den Platz läuft. Zufall? Niemals. Jede Wette: Der hat auch Orangenhaut.

Schenkel-Alarm
    Die gute Nachricht: Nahezu jeder Normalbürger kann mit etwas Training seine Ausdauer verbessern. Die schlechte Nachricht: Man sieht es nicht jedem an. Die Gene sind schuld. Manch trainingsfauler Zeitgenosse hat Schenkel wie ein Zehnkämpfer, der fleißige Dauerläufer dagegen rennt immer noch auf konturlosen Würsten durch die Welt. Die Gene sind eben ungerecht verteilt. Noch gemeiner wird die Sache, wenn man sich die Muckis nicht nur von außen, sondern von innen betrachtet. Da gibt es weiße und rote Muskelfasern und die sind bei jedem Menschen anders verteilt. Wer von der Schöpfung mit vielen weißen Fasern beschenkt ist, wird mit moderatem Training den Marathon unter vier Stunden laufen. Wer die roten Sprinterfasern geerbt hat, bleibt auch trotz harter Vorbereitung über 240 Minuten. Immerhin gewinnt er den Endspurt um Platz 23642.

Die Füße sind des Läufers Kapital – und das kann akut gefährdet sein. Schuld ist aber ausnahmsweise mal nicht Mona, sondern ein gemeiner Pilz. Auch unser Wunderläufer Achim Achilles bleibt nicht verschont. Und landet prompt in der Ausgrenzungsfalle.
    Â 
    Neulich beim Lauftreff kam wieder mal Traudl angeschlichen. Traudl ist der laufende Beweis, dass auch regelmäßige Bewegung kein Garant für Anmut ist. Alle sagen, dass Traudl wirklich nett sei. Vergiftetes Kompliment. »Nett ist die kleine Schwester von widerlich«, sagt Patrick, der zwar kein großer Läufer ist, aber häufig Recht hat. Traudl läuft in gebückter Plattfüßigkeit, wie ein ukrainischer Rübenbauer. Wären ihre Schenkel etwas weniger üppig, könnte man bei ihr O-Beine vermuten. Aber nett.
    In Wirklichkeit ist Traudl lästig. Sie gehört zu jener Sorte Menschen, die völlig hemmungslos von ihren privatesten Problemen erzählen. Heute leider auch. »Sag mal Achim«, fragte sie mit ihrer Megafon-Stimme, »was machst du eigentlich gegen deinen Fußpilz? Alle Läufer haben ja Fußpilz.« Traudl ist eine Meisterin des Selbstmarketings. Sie weiß, wie eine Frau sich rundum begehrenswert macht.
    Die bezaubernden Laufkollegen grienten und stellten ihre Ohren auf. Was soll man antworten? Nein? Glaubt eh keiner. Keine
Ahnung? Auch nicht besser. Würde auf ein gespanntes Verhältnis zu meinen treuesten Laufwerkzeugen schließen lassen. Ja? Völlig ausgeschlossen. Mögen auch 98 von 100 deutschen Läuferfüßen rundum verpilzt sein – meine nicht. Sagen 100 von 100 Läufern. Über bestimmte Leiden spricht man einfach nicht.
    Dass praktisch alle darunter leiden, sieht man ja schon an der Werbung. Warum hängt denn in jedem ICE die Reklame von »Prostagutt«? Warum wirbt »Granufink« im ZDF? Und warum türmen sich in jedem Apothekenschaufenster die Canesten-Packungen?

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