Achtung BABY!
hat zwar früh angefangen zu brabbeln, aber sie blieb auch lange Zeit dabei. Aus den Buchstaben-, Lauten- und Konsonantenkombinationen hätte nicht mal ein Spezialist für altägyptische Frühsprachen etwas herausgeholt. Die zweite Regel fürs Sprechen bei Kleinkindern hat sich bei unserer Tochter doch bestätigt. Die Regel besagt, dass Kinder, die früher anfangen zu laufen und auch sonst motorisch gut veranlagt sind, später zu sprechen beginnen. Es ist tatsächlich so. Mit ihren 19 Monaten rennt Lilly rum wie ein Erwachsener auf Speed, sie kann auf Leitern, Klettergerüste und Rutschen hochkraxeln, aber sprachlich bewegt sie sich eher noch auf dem Zufallsniveau. Es bestätigt sich, wenn man andere Kinder beobachtet. Ich habe kleine Babybuben gesehen, die eine frühe Körpersprache wie Jerry Lewis in der Krabbelgruppe hatten, aber in der sprachlichen Konversation waren die eher stoisch wie Männer, die soeben von ihrer Frau die Frage gestellt bekamen: »Was denkst du gerade?«
Eigentlich ist es ja schon ein Zeichen von Anerkennung, wenn eine Frau von einem Mann erwartet, dass er denkt.
»Ich denke, also bin ich.«
»Also was denkst du gerade?«
Es ist halt blöd, wenn man vielleicht gerade einen Gedanken hatte, der nicht so ganz in eine harmonische Beziehung passt. So was wie: »Die Halle Berry würde ich auch schwanger poppen.«
Bei solchen Gedanken eher auf Anfrage ausweichen: »Ich bin, also äh, ich denke …«
Zack vorbei! Die Frau weiß Bescheid. Wenn auf die Frage »Was denkst du gerade?« nicht gleich wie aus der Pistole geschossen so was kommt wie »unsere Liebe ist so schön, dass ich für einen kurzen Moment innehalten musste, um darüber nachzudenken«, gibt es keine Treuerabattpunkte. Aber irgendwann lernen auch wir Männer sprechen. Dieselben Buchstaben, dieselbe Grammatik. Unsere Themenvielfalt ist vielleicht etwas eingeschränkter, aber Sprache ist Sprache.
»Also, Schatz, was denkst du gerade?«
»Nagnanam?«
In den ersten Wochen gibt es keine sprachliche Kommunikation mit einem Baby. Das spielt sich alles auf der Instinktebene ab. Das ist die große Stunde der Pantomimen. Wie schon erwähnt, geht man als Eltern dauernd die Grundbedürfnisse der Kleinen durch und hofft, dass ein Treffer dabei ist. Alle Eltern warten darauf, dass die Kleinen das erste Mal bewusst Wörter sagen und beginnen, richtig zu kommunizieren. Am 15. Juli 2008 sagte Lilly »höbaba« und »Da Da Da«, ihre Lieblingsworte für einige Zeit. Jetzt weiß ich, wer damals den Text für den Neue-Deutsche-Welle-Hit von Trio in den Achtzigern geschrieben hat. Papa Remmler hat nur ein Mikrofon ins Babyzimmer gestellt und gewartet, bis der erste sinnvolle Satz rauskam. Dann hat er seinem Kind noch die Bontempi-Fingerorgel weggenommen, und fertig war der Song. Anfang August wurden Lillys Laute immer differenzierter. Lilly schien über das Hauptthema zu improvisieren: »Höbababa … babababababa … höbaba …«
Wir hatten zum ersten Mal das Gefühl, dass das mal eine Sprache werden könnte und dass Lilly versuchte, uns zuzuhören, wenn wir ihr was sagen. Ab September wurde Lillys Mimik ausgeprägterund schien unserer Ansprache und ihren Sprachversuchen wirklich zu folgen. Ihr Gesicht zeigte, wenn ihr was nicht schmeckte, und es sagte oft mehr als tausend Worte. Passend dazu auch das nächste – ich weiß nicht, ob ich es ein echtes Wort nennen soll oder ob es nur dem Transport nach außen diente. Lilly hatte Karottenbrei im Mund und sagte: »Bfffrrrzzzz!«
Lilly war knapp zehn Monate alt, und wir warteten immer noch auf das erste Wort. Und das erste Wort ist für Eltern wichtig. Noch wichtiger als das erste Lächeln. Ich bin natürlich nicht so, dass ich meine Tochter extrem beeinflussen wollte, was sie als erstes Wort sagen soll. Sie war zu der Zeit noch glücklich mit: »Höbabababababa.«
Ich sagte dann immer zu ihr: »Lilly, wenn du jetzt das hö und vier von den ba weglässt, dann ist das Baba. Kannst du das mal probieren?«
»Höbabababababa.«
»Nein, nur baba! Und ohne hö!«
»Babababababa.«
Einmal war ich gerade beim Wickeln, Lilly brabbelte ihren Lieblingswortschatz runter, dann plötzlich: »Baba …«
»Gudrun hast du das gehört? Baba!«
»Michl, das zählt nicht, wenn du ihr nach ›baba‹ die Hand auf den Mund legst.«
»Das war doch nur eine kleine Hilfestellung.«
Ich fand das nicht übertrieben. Klar, man muss schon auch aufpassen, dass man die Kleinen nicht zu früh zu sehr beschneidet und dann
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