Achtzehnprozentiges Grau: Die Flucht (German Edition)
heute Nacht wollte er wirklich lieber allein sein. Der Typ würde schon zurechtkommen. Immerhin ging er in die richtige Richtung – nach Oregon. Wenn er schlau war, würde er genau dorthin gehen. Und beim Aufreißen vorsichtiger sein. Das graue Tuch war ja nicht gerade ein Staatsgeheimnis.
Matt vertrieb sich am Lagerfeuer die Zeit damit, über die Extraktion nachzudenken.
Lieutenant James Ayala war von den Truppen der RIA bei der Niederlage von Boulder im Juli gefangen genommen worden. Er hatte seine Rettung wahrscheinlich Boises sehr aktiver Blauer Zelle zu verdanken. Er war gerade erst aus dem Umerziehungscamp entlassen worden, hatte Überwachungsstufe eins und wurde in Echtzeit von einer KI überwacht. Matt würde ein paar ziemlich waghalsige Chip-Neuverschlüsselungsmanöver abziehen müssen, um James zu extrahieren. Deswegen schleppte er neben all der anderen illegalen Technik auch noch einen Recoder mit sich herum.
Er dankte Gott für das hohle Bein. Oder besser, der Landmine, die für das hohle Bein verantwortlich war.
A LS Matt mit den verdammten ersten Lichtstrahlen aufstand (auch wenn er ein Spezial-Agent war, er schlief trotzdem gerne aus), war er nicht mehr so dankbar für das hohle Bein. Oder die Landmine. An einem Morgen wie diesem schmerzte sein Oberschenkel. Es sah vielleicht aus wie ein durchschnittliches Bein und benahm sich wie ein durchschnittliches Bein, aber es fühlte sich verdammt noch mal nicht an wie ein durchschnittliches Bein. Er öffnete einen Instant-Hot-Kaffee-Beutel und versuchte dafür dankbar zu sein, dass er auf eine alte technische Mine getreten war und nicht auf eine Zerstäuber-Mine. Für den schlechten Kaffee konnte er allerdings wirklich nicht dankbar sein.
Erst nach seiner zweiten Tasse Kaffee – und nachdem die Wirkung der Schmerzmittel eingesetzt hatte – war er nicht mehr ganz so undankbar, obwohl sein Oberschenkel immer noch ein wenig pochte. Er sah auf seinen Zeitmesser und öffnete sein verdammtes Bein, um sein Video-Hookup, kurz Vid, herauszuholen. Ein normales HookUp war in Idaho nicht ungewöhnlich, aber das Videomodell war für Normalbürger in den Roten Staaten noch nicht zu bekommen. Ein weiteres Spielzeug in seinem falschen Bein. Er war ein wandelndes Techniklager. Es wäre ziemlich cool, wenn er die Signale einfach mit einer Direktverbindung ins Gehirn, einem BrainLink, an sein Nervensystem hätte senden können, aber dann hätte er sich auch gleich „Blauer Undercover-Agent: zum Abschuss freigegeben“ auf die Stirn tätowieren lassen können. Und außerdem hatten sie in die BrainLinks bis jetzt noch keine Video-Übertragung integrieren können. Zu irritierend.
Andry erschien auf dem Vid, als Matt bei der QESA anrief.
„Wo zur Hölle steckst du?“ Andry verzog verärgert das Gesicht.
„Was zur Hölle machst du da? Ich muss mit Lance reden.“ Scheiße. War Andry der neue Azubi?
Andrys Ärger verwandelte sich in ein Lächeln. „Gramps frühstückt gerade und ich soll ihn nur holen, wenn es Probleme gibt.“
„Lässt er dich auch die Check-Ins der anderen Agenten machen oder nur meinen?“
Jetzt wurde aus dem Lächeln eine vorgeschobene Lippe. „Nur deinen. Ich übe an deinem Arsch.“
„Toll. Sag deinem Boss, ich bin eine halbe Stunde außerhalb von Boise. Ich habe mir eine Rennmaschine besorgt und hoffe, dass ich heute Nacht wieder draußen sein kann. Ich werde bis morgen früh nicht wieder einchecken.“
„Warum nicht heute Abend?“
„Für den Fall, dass ich es heute Nacht nicht mehr rausschaffe. Kann sein, dass ich über Nacht bleiben muss, je nachdem wie es mit dem Paket läuft.“
Andry verdrehte die Augen. „Meinst du James?“
„Ja, James.“
„Was hast du eigentlich für ein Problem mit James Ayala?“ Bevor Matt antworten konnte, verschwand Andry aus dem Vid und flüsterte irgendwem „Sorry“ zu, dann drehte er sich wieder zum Monitor. „Okay, ich habe dich um 0724 eingecheckt. Kein weiterer Check-In bis morgen um 0730.“ Dann beendete Andry die Übertragung.
„Ich habe kein Problem mit James Ayala“, erklärte Matt dem schwarzen Vid-Schirm. Und auch nicht mit meinem dummen, verdammten kleinen Bruder. Dann schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Wahrscheinlich würde Lance Andry für die unnötige Kommunikation während einer verschlüsselten Übertragung die Hölle heiß machen.
Gut. Er würde James Ayala finden, ihm helfen Idaho zu verlassen, ihm ins Gesicht lachen und ihn dann nie wieder sehen. Sieben
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