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Ada liebt

Ada liebt

Titel: Ada liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Balschun
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Mutter hatte Probleme mit dem
Gleichgewicht und ich hatte gehofft, dass sie nicht Schlittschuhlaufen wollte,
sondern dann doch lieber zu Hause blieb und las, aber sie ging stattdessen mit
einem Holzstuhl aufs Eis, an dem sie sich festkrallte. Vielleicht hatte sie
mich durchschaut und wollte es mir zeigen.
    Auf dem Eis wurde ihr Gesicht weiß und
hob sich ab von den anderen roten Gesichtern, die sie anstarrten, und sie
schwitzte trotz der Kälte. Sie schob den Stuhl vor sich her, der laute,
scharrende Geräusche machte, und meine Mutter stach ihre Kufen ins Eis, um ihm
zu folgen. Dabei schimpfte sie den anderen Leuten hinterher, die sich nach ihr
umdrehten und lachten.
    Dieses Landvolk, sagte sie, denn
seitdem ich in einer Großstadt wohnte und sie mich dort besuchen konnte, wann
immer sie wollte, fühlte sie sich großstädtisch, und das unterschied sie von
dem Durchschnitt am Deich.
    Die meisten mussten sich heute Morgen
erst eine Straße aus ihrer Pampa heraus bauen, damit sie hierher aufs Eis
kommen, sagte sie, und dann fällt denen nichts anderes ein, als über mich zu
lachen. Sie warf den Kopf zurück und zog ihre Pudelmütze tiefer ins Gesicht.
Dichte Wolken verdeckten den Himmel und der Wind fegte eine eisige Kälte über
den Kanal.
    Sie lachen nicht über dich, Liebes,
sagte mein Vater. Pah, entgegnete meine Mutter. Sie lachen über diesen Stuhl
hier, er ist alt, sagte er und ließ sich darauf nieder. Ich möchte Tee, sagte
er und sie stakste unsicher um den Stuhl herum, holte die Thermoskanne aus dem
Rucksack und goss ihm ein. Und dabei ist der doch so praktisch, sagte er und
klopfte auf das Holz und lächelte, während er sich zurücklehnte und meine
Mutter neben ihm in alle Richtungen auf einmal wankte, hin und her.
    Der Wind war eisig und über uns
kreisten schwarze Vögel, die schrien, und die Leute auf dem Eis trugen
Daunenjacken und Wollmützen und wenn sie sprachen, stand weißer Nebel vor ihrem
Gesicht.
    Nach zwei Stunden Hufekratzen und
Stühleschieben waren wir durchgefroren und fuhren nach Hause. Unterwegs begann
es wieder zu schneien und mein Vater musste langsamer fahren, denn dunkel wurde
es auch schon. So ein Mistwetter, sagte er.
    Wir überholten eine blonde Frau mit
langem Haar und meine Mutter sagte, das ist Elisabet, halt an, und ich sagte,
nein, fahr weiter, und mein Vater schnaubte genervt. Warum willst du nicht mit
ihr sprechen, Ada, fragte meine Mutter und mein Vater fragte, was denn jetzt.
    Weiterfahren, sagte ich. Sie ist doch
deine Freundin, Ada, und ihr seht euch so selten, sagte meine Mutter, der
solche Kontakte wichtig waren, denn die gehörten dazu, wozu auch immer, und
machten mich normaler. Ja, sagte ich, aber jetzt will ich nicht.
    Mir war kalt und ich war angenehm müde
und mit Elisabet sprechen ging nicht, wenn meine Eltern dabei waren, dann
schwieg sie, und dieses Schweigen war anders als das gewohnte, es passte nicht
zu dem Tag heute, nicht zu dem Eis und nicht zu der Kälte.
    Was denn jetzt, sagte mein Vater
gereizt, der mit wenigen Stundenkilometern auf der Straße rollte und den
Verkehr behinderte. Das Auto hinter uns blendete auf und mein Vater wurde
nervös, die blonde Frau wurde kleiner und unsichtbarer in der Autoscheibe und
meine Mutter sagte laut, anhalten. Er bremste und der Fahrer hinter ihm
gestikulierte wild.
    Weiterfahren, sagte ich und Elisabet
verschwand schließlich in dem Schneetreiben hinter der Heckscheibe unseres
Autos, auf das der Winter Eisblumen gemalt hatte in einem ironischen Muster.
    Mein Vater gab Gas und meine Mutter
sagte, das ist ja wieder typisch. Lass sie, sagte er und ich wusste, dass heute
Abend keine Blumen auf dem Tisch stehen würden, da halfen auch die
Schlittschuhe nichts.

8
    Den Rest des Winters
verbrachte ich in Bos Stall und in der Bibliothek, und ungefähr zu dieser Zeit
fing es an, dass ich beides brauchte, weil mir die Schweine beim Lesen fehlten
und die Bücher beim Mistschaufeln. Es half auch nicht, ein Buch mit in den
Stall zu nehmen, es roch danach anders und die Frau am Rückgabeschalter sah
mich mit hochgezogenen Augenbrauen angewidert an, als ich es zurückbrachte in
die Stille der Bibliothek. Es war ein fast geräuschloser Raum, unwillkürlich
dachte ich an Elisabet, und dass sie auch eine gute Bibliothek abgegeben hätte,
aber die hatte jetzt Leo und Leo passte nicht hierher.
    Ich las und notierte alles, das mir
wichtig erschien, auf kleinen Zettelchen, die ich in meiner Wohnung an die
Wände hängte, damit ich sie

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