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Ada liebt

Ada liebt

Titel: Ada liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Balschun
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Nächstes Mal wieder in der alten Ordnung, sagte Bo,
sonst verhungern wir.
    Nach dem Essen setzten wir uns in Bos
Wohnzimmer mit den schweren Polstermöbeln und dem großen, schwarzen Schrank und
zündeten Kerzen an. Hier gab es keine Bücher und ich stellte welche in ein
Regal, auf dem veraltete Ausgaben von Der Landwirt lagen, die ich beiseite schob. Bo las meine Bücher und
manchmal fragte er etwas oder er sagte, so was Blödes.
    Wenn Bo nichts sagte, war das Buch
gut, und er stellte es wieder in das Regal, so als gehörte es dorthin. Einmal
sagte Bo, darf ich das behalten, und ich lächelte. Du bekommst dafür ein
Schwein, sagte Bo.
    In Bos Küche lagen auf der Fensterbank
die aktuellen Ausgaben der Landwirtschaftszeitungen und Bo las mir daraus vor.
Er las und hielt Vorträge über neueste Düngetechniken und Silage und er
erzählte von Melkmaschinen, die er sich nicht leisten konnte, und schwärmte von
einer Rinderrasse in Argentinien, die viel und gutes Fleisch brachte,
Fleischrinder nannte er sie.
    Oder er saß neben mir und rechnete mir
die Kosten für Futter- und Düngemittel vor und erklärte mir das Problem mit den
sinkenden Milchpreisen. Ich erfuhr so manches über die Ernte und die Blühzeiten
und die verschiedenen Kotarten junger Kühe und ich fragte mich, ob Bo ernsthaft
dachte, dass mich das interessierte.
    Ich las Bo Romane vor und
charakterisierte Figuren und führte ihn ein in vergangene Zeiten und ihre
Philosophien. Ich berichtete ausschweifend über das literarische Leben im alten
England, zitierte Jane Austen und versuchte Bo zu erklären, welche Probleme
eine freidenkende Frau damals hatte, und Bo verdrehte die Augen. Ich las Bo vor
am Abend und er hörte mit geschlossenen Augen zu, und manchmal sagte er, das
ist kitschig, aber meistens sagte er nichts und sein Gesicht sah zufrieden aus.
    Manchmal hatte Bo allerdings nicht so
viel Lust, gedanklich zu verreisen, und als ich ihm in einer solchen Stimmung
von Michel Foucault erzählte und die entscheidenden Textstellen dazu las,
schlug Bo die Faust auf den Tisch und rief, aufwachen, und vor Schreck fiel
Jane Austen unter den Tisch. Ich wunderte mich über seine Reaktion, denn hier
ging es schließlich um Bücher und nicht bloß um irgendwelche Melkmaschinen, die
an wackelnden Eutern hingen.
    Bei Bo war es immer kalt, denn das
Haus war alt und zugig, und wenn wir im Wohnzimmer saßen, trugen wir dicke
Wollsocken und legten die Füße auf den Tisch. Einmal berührte Bo meinen Fuß mit
seinem, und der war elektrisch geladen und ich schrie auf und Bo zog
erschrocken seine Füße zurück. Du knisterst, sagte ich zu Bo und er sagte, ich
hole Wein.
    Was liest du, fragte Bo an diesem
Abend und ich erzählte ihm von den Problemen der schreibenden Frauen des alten
England. Bo fragte, warum sie sich nicht einfach an einen Tisch setzten und
schrieben, wenn sie es doch unbedingt wollten, sondern stattdessen
Gesellschaften organisierten und Paare verkuppelten, die dann unglücklich
wurden, und ich sagte, dass es so einfach nicht ging, und Bo sagte, doch, und
die Stimmung hing schief wegen dieser Frauen aus England.
    Lies weiter, dann kann ich schimpfen,
sagte Bo und ich las ihm vor und er schnaubte, weil ihn etwas ärgerte, und er
lachte laut und tief, weil er sich amüsierte. Er fieberte mit dem
wirtschaftlichen Aufschwung und dem gesellschaftlichen Abstieg und lauschte
gebannt, wenn Paare sich stritten oder Kuppler sich nicht einigten.
    Er freute sich, als einer schönen Dame
das Kleid riss und ein feiner Herr über die eigenen Füße stolperte. Sie hat
schöne Beine und diese Lackaffen, sagte Bo lachend und er weinte, als eine
Figur, die er mochte, starb. Die hatte ein großes Pech, sagte Bo und zog die
Nase hoch.
    Für Bo war der Tod ein großes Pech,
weil er das Leben liebte. Der Tod gehört nicht zum Leben dazu, hatte Bo gesagt,
das ist Unsinn, der Tod ist einfach nur ein großes Pech, denn da hört alles auf
und ist zu Ende. Meistens ist man nicht darauf vorbereitet, es kann mitten im
Satz passieren, hatte er gesagt, und er hatte mich hart am Arm gegriffen und
gesagt, das gehört doch nicht dazu, Ada. Ich zog meinen Arm zurück und sagte,
du tust mir weh, und in seinem Gesicht stand Angst und ich dachte für einen
Moment, dass er Angst um mich hatte.
    Bo ärgerte sich über die Knechte, die
es nicht fertigbrachten, ihre Herren zu beraten, wenn sie ihnen Fleisch und
Kartoffeln brachten. Sie hatten doch auch damals schon einen Mund mit Wörtern
drin,

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