Ada liebt
meiner kleinen Wohnung und rannte zum Bahnhof, der um die
Ecke lag. Sonst störte mich das, ich hörte die Züge den ganzen Tag und nachts
wachte ich auf, wenn sie bremsten.
An diesem Morgen war ich froh darüber,
dass ich die Züge bei mir hatte, sie würden mich von hier fortbringen, zu ihm,
und ich hoffte, es würde noch nicht zu spät sein, denn die Fahrt dauerte drei
Stunden und mein Vater hatte geweint am Telefon.
Bo trug mit drei anderen Männern
den Sarg aus der Kirche und sie ließen ihn an dicken Tauen in die gefrorene
Erde. Bo machte ein ernstes Gesicht und sah auf den Boden. Kleine Schweißperlen
standen auf seiner Stirn, denn der Sarg war schwer, und die Haare fielen ihm
feucht ins Gesicht.
Als der Sarg in der Erde verschwunden
war, stellte sich Bo mit den drei anderen Männern im Halbkreis vor das offene
Grab und der Pfarrer gab ihnen ein Gesangbuch, das Bo falsch herum hielt. Als
er sich damit gedankenverloren am Kopf kratzte, fiel es auf den Boden. Bo gab
ihm einen Tritt und es flog in das schwarze Loch. Als es auf dem Sarg landete,
machte es ein dumpfes Geräusch und Bo zuckte erschrocken zusammen.
Ein Beben ging durch die Trauernden
und der Pfarrer schüttelte den Kopf. Bo faltete seine Hände und sah weiter auf
den Boden, sein Gesicht wurde rot. Ein Regenwurm pellte sich aus der frisch
aufgeworfenen Erde und Bo scharrte ihm mit dem Schuh einen Hügel.
Was ist das für ein Kerl, flüsterte
mein Vater neben mir. Weiß nicht, sagte ich und meine Mutter kniff die Augen
zusammen wegen der Wintersonne, die tief stand. Tante Rosi hätte es am meisten
gestört, sagte sie, aber sie liegt ja da drin und hat ihre Ruhe. Sie hat ein
Gesangbuch auf den Kopf gekriegt, sagte mein Vater. Das war Ruhestörung, sagte
ich und meine Mutter unterdrückte ein Lachen. Der Tod, sagte der Pfarrer und
meine Mutter und ich vermieden es, uns anzusehen.
Wie könnt ihr nur, sagte mein Vater
und wir guckten ernst, denn Tante Rosi war seine Schwester gewesen, die so dick
war, dass sie Zelte trug und den Türrahmen ausfüllte, wenn sie uns zum Abschied
winkte. Sie hatte das Leben geliebt, dolce vita hatte sie es genannt, und wenn
sie durch ihre Wohnung lief, hatte sie dunkle Flecken unter den Armen. Ihre
blonde Dauerwelle schimmerte in der Sonne, und wenn Tante Rosi in ihrem Garten
stand, sah sie aus wie ein leuchtender Rhododendron.
Sie wohnte in einem Vorort in einem
kleinen Reihenhaus mit weißem Gartenzaun, um den sich Efeu rankte. Rosen
wuchsen in großen Steinkübeln und das Moos kroch die Verandawand hinauf. Sie
hatte Gartenmöbel aus Holz und Stoffkissen mit großem Blumenmuster. Schlechtes
Wetter passte nicht zu Tante Rosi.
Wenn wir zu ihr kamen, gingen wir fünf
Steinstufen hinauf und klopften mit einem eisernen Löwenkopf an ihre Tür. Sie
öffnete sich augenblicklich, und der buschige Löwenkopf ging über in Tante
Rosis apfelbäckiges Gesicht. Ihr Lieben, strahlte sie uns entgegen und meine
Mutter versuchte, ihrer Umarmung zu umgehen, denn sonst versank sie in Tante
Rosis mächtigen Brüsten und die Luft blieb ihr weg.
Mein Vater besuchte sie oft, dann aßen
sie zusammen Sahnetorte und erzählten von früher, als die Eltern noch lebten,
und wenn er nach Hause kam, leuchteten seine Augen. Damals war alles besser,
sagte er und ich las mein Buch weiter. Warum, fragte meine Mutter und er sagte
nichts.
Was die wohl reden, sagte meine Mutter
immer, wenn mein Vater bei Tante Rosi war, und ich fragte mich das auch, denn
mein Vater war ein kluger Mensch, er las viel und machte sich Gedanken. Tante
Rosi war anders, sie sprach mit ihren Blumen und mit uns über die Nachbarn, die
wir nicht kannten, sie zog mich an sich, sodass ich ihr Haarspray und ihr
feuchtes Nylon riechen konnte, und sie backte Brot und kochte Eintopf.
Mein Vater liebte sie, vielleicht weil
sie übrig geblieben war, seine Eltern waren tot und auch sein jüngerer Bruder,
der Krebs hatte. Mehr Geschwister hatte er nicht, nur Tante Rosi, die anders
war und anders aussah, aber sie war seine Schwester. Er goss ihre Blumen und
mähte den Rasen und sagte ihr, gut siehst du aus, dann ging ein Strahlen über
ihr dickes Gesicht.
Sie hat ein schwaches Herz, hatte
mein Vater gesagt, als ich im Krankenhaus ankam. Neben ihm stand meine Mutter,
müde und blass. Bist du gesund, fragte ich sie. Natürlich, sagte sie, aber bei
Tante Rosi ist das kein Wunder, so fett wie sie ist, da würde es doch der
stärkste Affe mit dem Herzen kriegen. Mein Vater klappte den Mund
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