Adam 01 - Die letzte Chance der Menschheit
Jacke glättete und den Kragen penibel ordnete, ehe er mit Virginia Zimunga in das Zimmer trat.
Adam blickte durch eine riesige Fensterfront auf die Stadt hinab. Die Abenddämmerung zog auf. Trotz der Energiesparmaßnahmen glitzerte Kapstadts Zentrum wie ein Meer aus Diamanten. Aber dahinter, am Horizont, begann das Dunkel.
Ein Foto an der gegenüberliegenden Wand zeigte eine junge Schwarze, die sich mit erhobenen Händen einem gepanzerten Militärfahrzeug in den Weg stellte. Es musste aus der Zeit der Apartheid in Südafrika stammen, als sich die Weißen für die Herren des Landes hielten und jeden Protest gegen diese Ungerechtigkeit mit Gewalt niederschlugen.
Adam zuckte zusammen – hinter ihm hatte sich plötzlich die Tür wieder geöffnet.
Mr Miller winkte ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung hinein.
Das Büro war geräumig und funktionell eingerichtet. Ein großer Schreibtisch, mehrere Sessel und einer der seltenen Computer aus südafrikanischer Produktion. Er wurde lediglich für Schreibarbeiten und Archivierungen genutzt. Datenübermittlung war seit dem Auftauchen des Supervirus Little Boy im Jahre 2017 unmöglich geworden, selbst innerhalb eines Gebäudes. Jeder Versuch scheiterte innerhalb kurzer Zeit.
Virginia Zimunga saß in einem der Sessel vor dem Schreibtisch. Sie forderte Adam auf, sich ebenfalls zu setzen. Mr Miller blieb in der Mitte des Raumes stehen. Es war Adam unangenehm, den Mann hinter sich zu wissen. In Millers Nähe fühlte er sich immer etwas unwohl.
Eine Seitentür öffnete sich. Eine Frau kam herein und setzte sich an den Schreibtisch. Adam erkannte sie sofort. Ihr Porträt hing in jeder Polizeidienstelle und auch in seinem Unterrichtsraum.
»Ich grüße dich, Adam van Dyke.« Innenministerin Masuku lächelte ihn an.
Sie sah fast genauso aus wie auf den Bildern. Nur vielleicht etwas abgespannter, fand Adam. Er wusste nicht, wie er die Innenministerin anzureden hatte, deshalb erhob er sich kurz und nahm ziemlich steif Haltung an.
»Wo du gerade schon stehst, richte deinen Blick doch bitte kurz auf die Wand hinter dir«, sagte Masuku freundlich.
Als Adam sich umdrehte, blickte er auf eine riesige Fotowand. Sie zeigte mindestens hundert Gesichter: allesamt von Kindern. Schwarze, Weiße, Asiaten. Die meisten von ihnen lachten, aber manche von ihnen wirkten bedrückt und traurig. Einige weinten sogar. Alle schienen Adam direkt anzusehen.
»Von meinem Platz aus habe ich sie ständig vor Augen«, erklärte die Ministerin. »Sie erinnern mich an meine wichtigste Aufgabe. Die Zukunft unserer Kinder zu sichern.«
»Du kannst dich wieder setzen«, flüsterte Virginia Zimunga Adam zu.
Masuku schüttete aus einer Karaffe Wasser in ein Glas und reichte es Adam über den Schreibtisch hinweg
Er spürte erst jetzt, wie durstig er war. Am liebsten hätte er es mit einem Zug ausgetrunken, aber er zwang sich zu kleinen Schlucken.
»Mrs Zimunga hat mich über die Geschehnisse in Harare informiert«, begann Masuku. »Sie hatte den Auftrag, dich und die anderen zu beschützen. Polizeichef Kobese wusste davon nichts. Er nahm an, er könnte euch unbemerkt nach Harare abschieben, damit ihr nie wieder von dort zurückkehrt.«
»Aber warum sollte er das tun?«, fragte Adam verwirrt.
»Wir vermuten, dass es in erster Linie um dich ging, Adam.«
»Weil du unversehrt aus dem Labyrinth von Gugulethu zurückgekehrt bist«, erklärte Virginia Zimunga. »Und wenig später hat dich der Attentäter im Waisenhaus verschont. Das ist sehr außergewöhnlich.«
»Ich verstehe das nicht.« Adam konnte keinen Zusammenhang zwischen all den Ereignissen erkennen. Außerdem war Kobese für ihn immer ein Vorbild gewesen. Der Mann war eine lebende Legende!
»Kobese wurde höchstwahrscheinlich massiv unter Druck gesetzt«, sagte die Innenministerin. »Wie wir inzwischen vermuten, wurde sein einziger Sohn entführt, und nun ist auch er selbst verschwunden.«
»Wissen Sie, wer dahinterstecken könnte?«, fragte Adam.
»Leider nein«, gab die Innenministerin zu. »Aber wir glauben, dass hinter Kobeses Erpressung, dem Attentat im Waisenhaus und vielen anderen Verbrechen eine Gruppe steckt, die nur ein einziges Ziel verfolgt.« Masuku machte eine Pause und holte tief Luft. »Südafrika soll geschwächt, vielleicht sogar vernichtet werden. Unser Land ist einer der allerletzten Orte auf der Welt, wo die Menschen noch halbwegs in Sicherheit und Freiheit leben. Aber kommen wir zunächst auf dich zurück, Adam.« Sie
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