Adams Erbe (German Edition)
gemacht wird.‹« Die Nöff lächelte. Und die Art, wie sie lächelte, ließ mich glauben, sie wäre bei diesem Diner dabei gewesen. »Also, typisch Chopin«, sagte sie und wiegte den Kopf. »Typisch für ihn.«
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich begriff, dass Chopin ein längst verstorbener Komponist war und nicht der beste Freund meiner Klavierlehrerin.
Wenn die Nöff schlecht drauf war, dann redete sie überhaupt nicht, sondern lauschte meinem kläglichen Geklimper. Stumm ließ sie mich spüren, dass sie mich zutiefst verachtete und mir gerne die Finger abhacken würde, alle zehn.
Ich machte keine großartigen Fortschritte, aber immerhin konnte ich meiner Mutter nach drei Monaten Unterricht einen Walzer beibringen. Im Gegensatz zu der Nöff war Mama tief beeindruckt von meinen Fähigkeiten.
»Eddylein, hör noch mal zu.« Vor Aufregung zitternd haute sie in die Tasten. »War das so richtig?«
»Mmmh, ja, nicht schlecht«, antwortete ich kritisch. Die Wahrheit war, dass sie besser spielte als ich, aber das hätte sie mir ohnehin nicht geglaubt. Da hätte Mama gedacht, ich würde mich über sie lustig machen.
Den Nachfolger von Hannes brachte meine Oma ins Haus: Herrn Professor Doktor Strombrand-Rosselang. Seinen Vornamen kenne ich nicht, kannte ich nie, denn obwohl Mamas Liaison mit diesem Herrn einige Monate dauerte, blieb es beim ›Sie‹. Für Mama und für mich.
»Heute Nachmittag kommt Herr Professor Doktor Strombrand-Rosselang zum Kaffee«, sagte Oma und lächelte.
»Ist das ein Arzt?«, wollte ich wissen.
»Ja.«
»Ist Opa krank?«
»Natürlich nicht. Herr Professor Doktor Strombrand-Rosselang ist Gynäkologe.«
Ich bin mir nicht sicher, wie viele Achtjährige wissen, was ein Gynäkologe ist. Ich wusste es jedenfalls nicht.
»Ein Gynäkologe untersucht Frauen, Edward, er ist ein Arzt für Frauen«, erklärte Oma mir ungeduldig.
Mama und ich erfuhren, dass meine Großmutter den Herrn Professor bei irgendeiner Wohltätigkeitsveranstaltung getroffen hatte, und dass der Herr Professor alleinstehend war, und dass der Herr Professor es zutiefst bedauerte, keine eigenen Kinder zu haben, und dass der Herr Professor darauf brannte, Mama und mich kennenzulernen.
»Magda, Professor Doktor Strombrand-Rosselang ist ein ganz wunderbarer Mann. Gebildet. Weitgereist. Amüsant.« Oma reckte ihren Schwanenhals, sah mich an und sagte noch einmal mit Nachdruck, damit auch ich es verstand: »Ein ganz, ganz wunderbarer Mann.«
Der Professor war groß, und erst in der Hälfte des Schädels wuchs ihm graues Haar, das er halblang trug. Seine Stirn dehnte sich zu einer riesigen glänzenden Fläche. Zartes Rosé, durchzogen von blauen Äderchen. Er sprach überdeutlich und überlaut. Und womöglich um die ganze Bandbreite seines Wissens zu demonstrieren, sprang er von einem Thema zum anderen: das Attentat auf Papst Johannes Paul II. , das ihn zutiefst erschüttert hatte. Die Immobilienpreise in Florida, die ihn wahnsinnig aufregten. Wagner, den er vergötterte. Margaret Thatcher, die ihm suspekt war. Schließlich landete er bei der Gebärmutter.
Während Oma seinen Ausführungen mühelos folgen konnte, hier und da eine Bemerkung oder eine Frage einwarf, schaufelten Mama und ich den Kuchen in uns hinein.
»Mit dieser Frage beschäftigt sich meine Doktorarbeit«, schloss er seine Rede über die Gebärmutter. Ein Räuspern, dann sah er meine Mutter an: »Fräulein Cohen, Sie haben phantastische Hände. Phantastisch.«
Mama errötete, und Oma lächelte zufrieden. Eine Sekunde lang war es still. Jetzt war es an meiner Mutter, irgendetwas zu sagen.
»Ist es nicht seltsam, jeden Tag in das Innere von Frauen reinzuschauen?«, fragte sie, anstatt sich einfach für das Kompliment zu bedanken. Hektische Flecken erschienen auf Omas Schwanenhals. »Ich meine, da ist ja nichts mehr Geheimnisvolles, das muss doch dann…«
»Magda…«, unterbrach Oma sie.
»Nein, nein, Frau Cohen, das Fräulein Cohen hat vollkommen recht. Die Scheide hat als Objekt der Begierde an Reiz eingebüßt. Eine Hand bringt meine romantische Seite mehr zum Klingen als jede Vagina.«
Dann stand Moses im Wohnzimmer. Keiner hatte ihn kommen hören. Omas Blick wanderte von seinem zerknitterten Hemd zu den wild wuchernden Bartstoppeln.
»Ich wollte nur etwas zu essen holen«, sagte Opa. »Ich wusste nicht, dass wir Besuch haben.«
Oma stellte die Herren einander vor, ließ ihnen aber keine Zeit, auch nur eine Höflichkeit auszutauschen, sondern
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