Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Sache sie arbeiten. Du kennst doch die Sümpfe rund um Walkenried, Nebel und Kälte im Winter, Modergeruch und Mücken im Sommer. Du wirst Augen machen, wie es inzwischen dort aussieht!“, hatte sie ihm zugesetzt.
„Mutter, ich glaube dir auch, ohne diese Reise zu machen!“, versuchte Ludwig einzuwenden. Er hasste sinnlose Zeitvergeudung und sah nicht ein, was er in diesem kleinen Flecken mitten im Wald Besonderes entdecken sollte. „Außerdem gibt es hier auf Lare genug zu tun. Ich muss mich dringend um die Pferde kümmern …“
„Gut, dann tu es für deinen Vater!“, schnitt sie ihm das Wort ab. „Es war sein Traum, dieses Kloster zu gründen.“
Hierauf wusste er nichts zu erwidern.
In Walkenried wurden sie von Bruder Bernhard empfangen, alle anderen Mönche waren bei der Arbeit auf den Feldern. Adelheid hatte den Abt seit dem Winter nicht mehr gesehen. Seine Haut war bereits von der Sonne gebräunt und seine blonden Locken wirkten noch heller als sonst. Als sie ihm die Hand reichte, fühlte sie die Schwielen in seinen Handflächen und sie sah auch die Kummerfalten, die sich um seinen Mund eingegraben hatten. In seinen Augen glaubte sie eine Spur von Schwermut zu erkennen, die früher nicht gewesen war. Er schlug vor, sie zu tragen, doch sie lehnte stolz ab und bestand darauf, den Weg zu selbst zu gehen. Zunächst besichtigte sie voller Interesse das Hüttenkloster, ließ sich vom Dormitorium über Küche und Speisekammer bis zum Gebetsraum alles zeigen und erklären. Ab und zu streiften ihre leuchtenden Augen ihren Sohn, und sie sah, dass auch er beeindruckt war von der soliden Bauweise und der Ordnung und Sauberkeit in dem kleinen Hüttendorf. Dann gingen sie den Feldweg entlang zu den ehemaligen Sümpfen. Ludwig und Pater Julius waren ihnen einige Schritte voraus und Bernhard nutzte die Gelegenheit.
„Hohe Frau Adelheid, Eure Tochter Helisende schrieb mir vor vielen Wochen einen Brief, von dem Ihr sicher wisst.“
„Nun, ich weiß wohl, dass sie Euch schrieb, denn ich selbst habe ihr den Anlass dazu gegeben. Ich habe den Brief allerdings nicht gelesen.“ Sie passierten gerade ein Feld, auf dem hörige Bauern dabei waren, Disteln und Ackerwinde zwischen den kniehohen Getreidepflanzen herauszuziehen.
„Geht es Helisende gut?“
Adelheid nickte den Bauern zu, die sich ehrfürchtig verneigt hatten.
„Sie ist gesund, aber das ist es sicher nicht, was Ihr meint. Sie versucht sich auf ähnliche Weise zu helfen wie Ihr. Sie arbeitet viel. Sie kümmert sich um die Pferde, dafür hat sie wirklich goldene Hände. Und sie richtet Falken ab, ebenfalls mit recht gutem Erfolg. Aber sie ist still geworden, manchmal sitzt sie lange auf der Burgmauer und starrt in die Ferne.“
Begierig lauschte Bernhard den wenigen Worten, die ihm Helisende für einen kurzen Moment näher brachten.
„Was ich sagen will, ist … Nun ja, ich möchte Euch einfach danken für diesen weisen Rat, der von so viel Güte und Lebenserfahrung zeugt. Ich fühlte mich nicht in der Lage, meine Gefühle selbst unter Kontrolle zu bringen. Ich liebe Eure Tochter sehr, doch ich habe das Gelübde abgelegt und ich habe es mit vollem Bewusstsein getan. Nun stehe ich vor der wohl schwersten Entscheidung meines Lebens.“
Adelheid schnaufte, das Laufen fiel ihr noch sehr schwer. „Ihr habt Recht und ich beneide Euch nicht um diese qualvolle Wahl, vor die Gott Euch stellt. Noch habt Ihr etwas Zeit, doch wenn Ihr meint, dass Euer Herz seine Bestimmung gefunden hat, dann zögert nicht, es Helisende mitzuteilen. Sie hat ein Recht darauf, denn sie leidet nicht weniger als Ihr.“
„Ich beneide Euch ein wenig, hohe Frau. Ihr wisst immer genau, was zu tun ist. Eure Wege sind gerade, und sie sind so klar vorgezeichnet.“
Verblüfft blieb Adelheid stehen und starrte Bernhard an. Dann begann sie herzhaft zu lachen. Bruder Basilus, der an einem sanften Hügel in der Nähe mit einigen Bauern frisch gepflanzte Obstbäume wässerte, blickte herüber und winkte ihr fröhlich zu. Bruder Bernhard dagegen lief unter seine Bräune rot an und blickte ratlos zu Boden.
„Heilige Einfalt, verzeiht mir, Bruder! Ich lache nicht über Euch, ich lache über die Verrücktheiten des Lebens. Ich muss mich setzen.“ Mit einem wohligen Seufzer ließ sie sich am Feldrain im frischen Gras nieder.
Ludwig glaubte wohl, sie wolle verschnaufen und ging mit Pater Julius zielstrebig weiter. Die Entwässerungsgräben, die in die Fischteiche mündeten, hatten ihr Interesse
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