Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
soll vollständig frei sein, damit keiner den letzten frommen Wunsch derer hindere, die dort begraben sein wollen, wenn sie nicht etwa exkommuniziert sind.
Wenn aber jemand gegen diese für immer gültige Verfügung handeln sollte, den treffe Bann und Verlust seiner Würde und seines Amtes, es wäre denn, er hätte seine Verfehlung durch entsprechende Genugtuung gebüßt. Denen aber, die sich hiernach richten, bewahre Gott Barmherzigkeit und Frieden immerdar. Amen. Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht.“
Eine Weile war es still unter der Trauerweide. Lediglich die Amseln schimpften lautstark in den Ästen. Unter der Bank, zu Adelheids Füßen, lag eine schwarze Katze und schlief. Mit Sicherheit war sie der Grund für die Aufregung der gefiederten Sänger.
Ludwig ließ das Schreiben langsam sinken und blickte seine Mutter an. Über ihre welken Wangen liefen Tränen der Freude.
„Das ist es, Ludwig! Mit diesem starken Schutz des Heiligen Vaters kann niemand mehr den Zisterziensern etwas anhaben. Sie werden wachsen und gedeihen, ein mächtiger Orden wird entstehen, der den Glauben in würdiger Weise an die Menschen weitergibt. Und ich finde endlich Ruhe.“ Sie hob ihre dürren Arme weit nach oben und legte den Kopf in den Nacken.
„Gott im Himmel, ich danke dir!“, rief sie laut und die Amseln verstummten erschrocken.
Sie sollte Recht behalten. Mit dem starken Schutz des Kaisers Lothar und des Papstes in Rom wuchs das Kloster Walkenried nicht nur zum ersten, sondern auch zu einem der größten und blühendsten Klöster der Zisterzienser in Mitteldeutschland heran. Doch Adelheid wusste auch, dass sie das Ende der Bauarbeiten nicht mehr erleben würde. Ihr Körper war müde geworden und ihr Geist sehnte sich nach Ruhe. Eine Sache ließ sie noch am Leben festhalten, noch war nicht alles geklärt. Obwohl sie ahnte, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, wartete sie mit einer Geduld, wie sie sie selten zuvor im Leben hatte aufbringen können.
Im September reiste sie ein letztes Mal nach Walkenried. Sie entschloss sich spontan dazu, weil es ihr nach dem langen Sommer recht gut ging. Sie nahm Helisende mit, die noch immer unter der Trennung von Bernhard litt. Adelheid wusste nicht, warum sie es tat, sie hatte einfach das Gefühl, es müsste so sein. Helisende war verwundert, doch freute sie sich so unbändig auf ein Wiedersehen, dass sie nicht weiter nach den Gründen fragte.
Als Bruder Bernhard die junge Frau auf dem Pferd neben dem Reisewagen ihrer Mutter sah, war er nicht so verwundert, wie Helisende das erwartete. Im Gegenteil, fast wirkte es, als hätte er damit gerechnet. Er half Adelheid aus dem Gefährt und nickte ihr glücklich zu. Sie sah es sofort: Er hatte eine Entscheidung getroffen.
Mühsam humpelte sie mit zusammengebissenen Zähnen sofort hinüber zur Baustelle. Die Fundamente für die Kirche waren bereits zu sehen und wieder war sie erstaunt, wie mächtig alles werden würde. In den Gräben, aus denen bereits mehrere Fuß breite Gipsmauern herauswuchsen, hätte ihr Reisewagen Platz gehabt. Bruder Gerhart, der schon von weitem zu erkennen war, weil er alle Bauarbeiter um Haupteslänge überragte, leitete das geschäftige Treiben und nahm die Besucher in seiner Emsigkeit nicht wahr. Einige der Männer luden von klobigen Eselskarren die schweren Steine ab, die fertig behauen direkt vom Steinbruch kamen. Über Rutschen wurden sie vorsichtig an Seilen in die Baugrube hinabgelassen. Dort wuchteten immer zwei Männer mit Hilfe einer Mauerzange die Steine übereinander, nachdem sie einen dicken Brei aus Wasser und zermahlenem Gips als Verbinder auf die untere Steinreihe gegossen hatten. Für die Fundamente genügten grob zurechtgeschlagene Quader, sie würden unter der Erde später nicht mehr zu sehen sein. Erst ab Bodenhöhe mussten die Steinmetze sorgfältig glatt gemeißelte Blöcke liefern.
Auf einem Stapel Bauholz ließ Adelheid sich nieder und bedeutete den beiden jungen Leuten, sich zu ihr zu setzen. Abwartend blickte sie den Mönch an und forderte ihn durch ein knappes Nicken zum Reden auf.
Bernhard räusperte sich umständlich und verlegen.
„Ihr wisst es bereits, hohe Frau? Gott ist mein Zeuge, ich habe es mir nicht leicht gemacht, doch nun ist die Entscheidung gefällt. Ich wollte es Euch erst mitteilen, wenn ich die Antwort von Abt Robert erhalten habe. Da Ihr nun einmal hier seid …“ Er schaute hinüber zu den beständig wachsenden Mauern und strich sich bedächtig eine
Weitere Kostenlose Bücher