Adelshochzeit 2
bezweifeln“, erklärte Charlotte im Brustton der Überzeugung. „Sir Jason ist einer der begehrtesten Junggesellen und sieht sehr gut aus. Zweifellos fragen sich diese Debütantinnen, ob er noch zu haben ist oder nicht.“ Sie sah Helen verschmitzt an. „Meiner Meinung nach ist es höchste Zeit, dass dein Verehrer eine Anzeige in der Zeitung aufgibt.“
Helen errötete, erwiderte indes so ruhig sie konnte: „Sir Jason ist nicht mein Verehrer, sondern einfach ein guter Freund. Ich habe dir gesagt, dass du dir keine Hoffnungen machen und niemandem gegenüber den Eindruck vermitteln sollst, dass mehr zwischen uns ist als das.“
„Genau das hätte Sir Jason aber gern, davon bin ich überzeugt“, meinte Charlotte trotzig. „Seit zwei Wochen besucht er dich regelmäßig und begleitet dich zu allen möglichen Anlässen. Ganz London weiß, wie angetan er von dir ist. Emily und Anne sind ganz aufgeregt. Anne deutete bereits an, wie schön sie es fände, dich als neue Cousine in die Arme zu schließen. Sie zählt die Hunters inzwischen richtig zur Familie, weißt du.“ Charlotte blickte noch einmal vielsagend zu den tuschelnden jungen Damen hinüber. „Natürlich wird nicht jeder so erfreut sein. Ich allerdings wäre sehr erstaunt – und enttäuscht –, wenn du nicht sehr bald einen Verlobungsring am Finger trägst.“
„Charlotte!“
Ihre Schwester blieb unbeeindruckt. „Ich bin nicht so unschuldig, dass ich nicht wüsste, was gemeint ist, wenn Leute davon reden, dass sich etwas zwischen einem verwegenen Gentleman und einer jungen Witwe abspielt“, versetzte sie spröde. „Was würden sie sagen, wenn sie wüssten, dass sich besagter Gentleman uns gegenüber äußerst großzügig gezeigt hat?“ Charlotte tat so, als sei sie damit beschäftigt, einen blauen Samt zu prüfen, während sie sich in Wirklichkeit vergewisserte, ob die anderen Kundinnen noch immer über sie tuschelten. „Du musst dir darüber im Klaren sein, dass Sir Jason auch seinen Stolz hat. Er wartet wahrscheinlich auf ein Zeichen von dir, bevor er dir einen Antrag macht. Ermutige ihn, sonst hast du es dir selbst zuzuschreiben, wenn die Leute Lügen über euch verbreiten!“ Charlotte beugte sich über den nächsten Stoffballen.
„Diese Farbe würde dir sehr gut stehen“, verkündete Helen in dem Bemühen, das Thema zu wechseln.
„Ich weiß, dass du dich in ihn verliebt hast“, entgegnete Charlotte unbeeindruckt.
Helen senkte den Blick, scheinbar in die Betrachtung des Stoffes vertieft, aber ihre Gedanken gingen in eine ganz andere Richtung. In einer Beziehung hatte Charlotte recht: Jasons Großzügigkeit erlaubte ihr nicht nur, Läden aufzusuchen, sondern überdies sehr viel häufiger Einkäufe zu machen. Offenbar war es allgemein aufgefallen, dass sie mehr Geld ausgab, und man verband diese Tatsache mit der Beobachtung, dass sie ständig mit Jason zusammen war. Wie hätte man unter solchen Umständen auch auf einen anderen Gedanken kommen können als den, dass sie mehr füreinander waren als Freunde?
George wusste allerdings genau, dass der Aufschwung ihrer Finanzen nur auf eines zurückgeführt werden konnte. Und Helen war überrascht, dass ihr Bruder sie noch nicht aufgesucht hatte, um ihr zu ihrer Umsicht zu gratulieren und ihr zu sagen, wie froh er war, dass sie endlich einen Mann gefunden hatte, der bereit war, sie auszuhalten.
Und der dies sogar auf eine unglaublich verschwenderische Art und Weise tat. Die Summe, die Jason ihr angewiesen hatte, war so hoch gewesen, dass es sie fast erschreckt hatte. Ihr monatliches Nadelgeld von ihrem Liebhaber war großzügiger bemessen als der Betrag, den ihr geliebter Vater als Jahresauskommen für seine Töchter veranschlagt hatte.
Der Plan, den sie sich für eine sichere Zukunft zurechtgelegt hatte, war also tatsächlich ein Erfolg. Sie konnte ein Leben führen, wie sie es sich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorgestellt hatte. Irgendwann würde sie die Herrin von Westlea House sein, und Charlotte konnte Philip heiraten, dem großartige Zukunftsaussichten bevorstanden. Jason Hunter hatte ihnen in so kurzer Zeit so viel gegeben. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte Helen sich wieder schön und verwöhnt. Jason behandelte sie mit Respekt, und obwohl er nicht dazu neigte, seine Gefühle zur Schau zu stellen, war sie sicher, dass er sie gernhatte. Jedes Mal, wenn er sie abholte, machte er ihr Komplimente über ihre neuen Kleider, aber seine geduldige, höfliche Freundlichkeit
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