Adelshochzeit 2
wie ein glänzender Seidenvorhang über die nackten Schultern. Sie sah Jason bedrückt in sein attraktives Gesicht. Sie hatte alles verdorben. Und vor nur wenigen Minuten war es noch so wunderschön gewesen.
Das Stadthaus, zu dem er sie gefahren hatte, bot eine elegante und dennoch behagliche Atmosphäre. An einer Tafel, die mit feinstem Kristall und Porzellan und kostbarem Silberbesteck gedeckt worden war, hatten sie ein vorzügliches Dinner eingenommen, das ihnen zwei diskrete Lakaien servierten. Die Stimmung zwischen ihr und Jason war angenehm entspannt gewesen, und nicht nur wegen des knisternden Feuers im Kamin. Helen hatte gespürt, wie ihre Zweifel und ihre Unruhe dahinschmolzen und schließlich verschwanden, weil sie es genoss, mit Jason zusammen zu sein. Nachdem sie gegessen hatten und ihr freundschaftliches Gespräch allmählich zu einem Ende gekommen war, hatte er sie gefragt, ob sie nach oben gehen wollte. Es war Helen wie das Natürlichste auf der Welt erschienen, zustimmend zu nicken. Und dann hatte ein junges Dienstmädchen sie in ein prächtiges Schlafgemach mit einem riesigen Himmelbett geführt.
Helen hatte auf die Hilfe des jungen Mädchens verzichtet, weil sie eine Weile allein sein wollte, um sich in aller Ruhe in ihrer Umgebung umzusehen. Ehrfürchtig hatte sie die kostbaren Stoffe der Bettvorhänge befühlt und über das kühle Leinen der Kopfkissen gestrichen. Und dann war ihr Blick auf das hauchdünne Negligé auf einem Stuhl neben der Frisiertoilette gefallen, auf der Duftöle und Parfums und silberne Haarbürsten lagen.
Helen hatte neugierig an einem der Flakons gerochen und sich gefragt, ob dies der Duft war, der Mrs. Tucker umgeben hatte, als sie an jenem Tag vor nicht allzu langer Zeit aus Jasons Kutsche gestiegen war. Mit einem Anflug von Melancholie hatte sie sich bewusst gemacht, dass Jason sich wahrscheinlich jeder seiner Mätressen gegenüber so großzügig verhielt und dass sie diese Tatsache akzeptieren musste. Dennoch hatte sie es unbeschreiblich genossen, so verwöhnt zu werden. Und nun hatte sie mit einem Wort alles zerstört …
Sie berührte seine Wange und spürte den leichten Bartwuchs auf seinem Kinn. Wenn er doch nur die Augen öffnen würde, dachte sie verzweifelt. „Bitte sieh mich an. Es … es ist nicht nichts. Mir hätte es nicht gefallen, wenn du mich in einem solchen Augenblick Diana genannt hättest.“
Jason hob die Lider. „Es ist unwahrscheinlich, dass ich das tun würde, Helen.“ Er betonte ihren Namen auf eine Weise, die ihr zeigte, dass seine Gelassenheit nur gespielt war.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, ärgerte er sich, dass er sich verraten hatte. Er zog Helen schnell auf das Bett herunter und legte sich auf sie. „Ich sagte, dass es mir nichts ausmacht, Helen. Soll ich es dir beweisen?“
Helen spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte bei dem vergeblichen Wunsch, ihr Malheur ungeschehen machen zu können. Vorhin hatte Jason sie mit einem Geschick geliebt, das nie gekannte Gefühle der Ekstase in ihr geweckt hatte. Nur ungern dachte sie daran, dass Diana Tucker und zahlreiche ihrer Vorgängerinnen in seinen Armen genauso gestöhnt haben mussten vor Lust. Aber hatten all diese Frauen auf dem Gipfel der Verzückung stets den Namen des Mannes gerufen, durch den sie dorthin gelangt waren?
Ihr verstorbener Gatte mochte sie nicht so meisterhaft geliebt haben wie Jason, doch ihre Gefühle für ihn waren so innig gewesen, dass sie sie selbst auf dem Höhepunkt zum Ausdruck gebracht hatte. Und heute Abend war ihr in genau dem Moment, da sie die höchste Leidenschaft erlebt hatte, Harrys Name entschlüpft …
14. KAPITEL
„Wie lange müssen wir das noch ertragen?“
Bei Charlottes verärgerter Bemerkung sah Helen von dem perlmuttfarbenen Seidenstoff, den sie gerade eingehend begutachtet hatte, auf. „Was denn, meine Liebe?“, fragte sie ihre Schwester verdutzt.
Charlotte warf einen finsteren Blick zur anderen Seite des Auslagentischs. „Ich bin sicher, dass sie über uns reden.“ Dann fügte sie lächelnd hinzu: „Oder vielmehr über dich.“
Zwei modisch gekleidete junge Damen warfen ihnen, versteckt hinter Stapeln kostbarer Brüsseler Spitze, verstohlene Blicke zu. Helen hakte sich bei ihrer Schwester unter und drängte sie zur Abteilung mit den Samtstoffen am anderen Ende von Baldwin’s Emporium. „Sie werden bald genug davon haben und sich jemandem zuwenden, der ihre Sensationslust besser befriedigt.“
„Das möchte ich
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