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Adieu (German Edition)

Adieu (German Edition)

Titel: Adieu (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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noch möglich?« rief Philipp aus.
    »Sie war nackt geblieben«, erwiderte der Mediziner. Der Oberst machte eine Schreckensgebärde und erbleichte; der Doktor glaubte in dieser Blässe einige bösen Symptome zu erkennen: er faßte ihm den Puls und fand ihn einem heftigen Fieber ausgeliefert; auf ernstliches Drängen gelang es ihm, ihn ins Bett zu bringen, und er bereitete ihm eine leichte Dosis Opium, um ihm einen ruhigen Schlaf zu verschaffen. So verliefen ungefähr acht Tage, während deren der Baron von Sucy oft mit tödlicher Angst kämpfte; bald fanden seine Augen keine Tränen mehr. Seine oft erschütterte Seele vermochte sich nicht an das Schauspiel zu gewöhnen, das ihm der Irrsinn der Gräfin darbot; aber er fand sich in gewissem Sinne mit der grausamen Lage ab und erblickte in seinem Schmerze einen Trost. Sein Heroismus kannte keine Grenzen. Er fand den Mut, Stephanie zu zähmen, indem er ihr Süßigkeiten aussuchte; er gab sich solche Mühe, ihr diese Nahrung herbeizubringen, er verstand es, die bescheidenen Eroberungen, die er dem Instinkt seiner Geliebten diesen letzten Rest ihrer Intelligenz aufdrängen wollte, so vorsichtig abzumessen, daß es ihm gelang, sie vertraulicher zu machen, als sie es jemals gewesen war.
    Der Oberst stieg jeden Morgen in den Park hinunter; und wenn er, nachdem er lange Zeit nach der Gräfin gesucht hatte, nicht ahnen konnte, auf welchem Baum sie sich leicht wiegte, noch in welchem Winkel sie geklettert war, um hier mit einem Tier zu spielen, noch auf welches Dach sie geklettert war, so pfiff er den berühmten Marsch: Partant pour la Syrie, woran sich die Erinnerung an eine Szene ihrer Liebe kettete. Sogleich lief Stephanie mit der Leichtigkeit eines jungen Rehs herbei. Es war ihr so natürlich geworden, den Obersten zu sehen, daß er sie nicht mehr erschreckte; bald gewöhnte sie sich daran, sich neben ihn zu setzen, ihn mit ihrem mageren beweglichen Arm zu umfassen. In dieser, den Liebenden so teuren Haltung, gab ihr Philipp langsam einiges Zuckerzeug, für das die Gräfin eine Vorliebe hatte. Wenn sie alles aufgenascht hatte, geschah es zuweilen, daß Stephanie die Taschen ihres Freundes mit Gesten durchforschte, die die mechanische Schnelligkeit eines Affen zeigten. Wenn sie ganz sicher war, daß er nichts mehr darin hatte, betrachtete sie Philipp mit klarem Auge, ohne Gedanken, ohne ein Wiedererkennen; sie spielte dann mit ihm; sie versuchte dann, ihm die Stiefel wegzunehmen, um seinen Fuß anzusehen, sie zerriß seine Handschuhe, setzte seinen Hut auf; sie ließ ihn seine Hände in ihr Haar stecken, erlaubte ihm, sie in seine Arme zu nehmen, und empfing ohne Vergnügen glühende Küsse. Endlich sah sie ihn schweigend an, wenn er Tränen vergoß; sie begriff wohl den Pfiff von Partant pour la Syrie, aber es wollte ihm nicht gelingen, sie ihren eigenen Namen »Stephanie« aussprechen zu lassen. Philipp wurde bei seinem schrecklichen Unternehmen in einer Hoffnung festgehalten, die ihn niemals verließ. Wenn er an einem schönen Herbstvormittag die Gräfin ruhig auf einer Bank sitzend sah, unter einem gelb gewordenen Pappelbaum, lagerte sich der arme Liebende zu ihren Füßen und sah ihr so lange in die Augen, als sie ihn hineinsehen ließ, in der Hoffnung, daß das Licht, das ihr daraus entschlüpfte, wieder zur Vernunft werden würde. Manchmal bildete er sich etwas ein: er glaubte die harten und unbeweglichen Züge von neuem zitternd, weich und lebendig werden zu sehen und rief aus: »Stephanie! Stephanie! Du verstehst mich, du siehst mich!« Aber sie hörte den Ton seiner Stimme wie ein Geräusch, wie die Wirkung des Windes, der die Bäume bewegte, wie das Brüllen der Kuh, auf die sie kletterte; und der Oberst rang verzweifelt seine Hände, immer von neuen verzweifelt. Die Zeit und seine vergeblichen Versuche vermehrten nur seinen Schmerz. Eines Abends, bei ruhigem Himmel und inmitten des Schweigens und Friedens des ländlichen Asyls, bemerkte der Doktor von fern, wie der Oberst eine Pistole lud. Der alte Arzt begriff, daß Philipp keine Hoffnung mehr hatte; er fühlte, wie alles Blut ihm zu Herzen floß, und wenn er den Schwindel, der sich seiner bemächtigte, widerstand, so geschah es, weil er lieber seine Nichte lebend und irre sehen wollte als tot. Er lief herzu.
    »Was machen Sie da?« sagte er.
    »Das ist für mich,« antwortete der Oberst und zeigte auf eine geladene Pistole auf der Bank, »und die dort ist für sie!« fügte er hinzu und schob die Kugel in die

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