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Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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    Staubflöckchen sprenkelten die Luft wie eine Wolke blasser Schmetterlinge. Mit dem silbernen Kelch in der Hand schritt Savin durch sie hindurch und zog mit einer knappen Bewegung der anderen Hand den Schleier hinter sich zu, als ob er eine Gardine vor ein Fenster zöge, das auf eine sonnenbeschienene Terrasse ging. In seinen Fingerspitzen prickelte es, ein Schauder überlief ihn, und das Gewebe war wieder heil, als wäre es nie in Unordnung gebracht worden.
    Das war ein nützlicher Trick. Er erlaubte ihm, sich frei an Orten zu bewegen, an denen es unklug war, zu viel Aufmerksamkeit zu erregen, und er beeindruckte die Leichtgläubigen. Wie die Marktschreier und Trickbetrüger nur zu gut wussten, war ein wenig Effekthascherei Gold wert.
    Ein Staubflöckchen nach dem anderen verblasste in dem Zwielicht um ihn herum, und er runzelte die Stirn. Das Turmzimmer in Renngalds Burg hätte nicht so dunkel sein dürfen und auch nicht so kalt, dass ihm der Atem vorm Mund stand. Selbst nach der spätsommerlichen Hitze von Mesarild nicht. Er spürte die Kälte kaum, obwohl er hatte lernen müssen, sie zu ertragen, denn im Gegensatz zu seinen Gastgebern stammte er nicht hier aus dem hohen Norden. Doch die Feuchtigkeit war schädlich für die Bücher, sodass er ihretwegen ein Feuer im Kamin angezündet hatte. Inzwischen allerdings war es ausgegangen, und von der Dienerin, die sich um es hatte kümmern sollen, war weit und breit nichts zu sehen.
    Wo war dieses nutzlose Geschöpf? Er schickte einen Gedanken durch die Schlaf- und Vorratskammern der Burg auf die Suche und entdeckte sie schließlich in der stinkenden Wärme des Schweinestalls, wo sie mit geschlossenen Augen und hochgeschobenen Röcken über einer Hürde lag, während ein Jüngling mit strähnigem Haar sie mit ganzer Kraft stieß.
    Gereizt schnalzte Savin mit der Zunge. Gold hatte offensichtlich nicht ausgereicht. Das Mädchen musste ersetzt werden. Die Anschaffung seiner Bücher hatte ihn so viel Zeit und Mühe gekostet, dass er sie nicht an den Schimmel verlieren wollte, nur weil eine dumme Schlampe weniger an ihren Pflichten als daran interessiert war, von einem Schweinehirten gerammelt zu werden, bis sie quiekte.
    Er schnippte mit den Fingern, und die Holzscheite im großen Kamin fingen Feuer. Mit einem weiteren Gedanken entzündete er die Lampen an der Wand, und die Schatten wurden in die Ecken zurückgedrängt. Trotz der auf Hochglanz polierten tylanischen Möbel und der dicken arkadischen Teppiche ließ es sich nicht leugnen, dass dieser Raum in einer Festung lag. Zwischen den feinen Wandteppichen lugten Kragsteine aus Granit hervor, und auch der verschwenderisch drapierte Samt vermochte nicht darüber hinwegzutäuschen, dass die Fenster kaum mehr als Schießscharten waren. Zwar gab es hier weder exquisite Wandschirme aus Holz noch parfümierte Seide wie in seinen Gemächern in Aqqad, doch es war ein recht angenehmer Arbeitsplatz – wenn man nur nicht immer so weit hätte reisen müssen, um eine gute Flasche Wein zu bekommen!
    Er hob den Kelch und schwenkte ihn, wobei er den Duft des Weins einatmete. Es war ein tylanischer Roter aus dem Tiefland, dunkel und kräftig wie Blut. Kein hervorragender Jahrgang, aber ziemlich gut und sicherlich besser als alles, was seine Gastgeber zu bieten hatten – nichts als Met oder dieses dünne, bittere Bier, das sie hier brauten und von dem er nur einen sauren Magen und Kopfschmerzen bekam. Er verzog die Lippen vor Abscheu. Hier im hohen Norden war guter Wein eine der Gaben der Zivilisation, die er am schmerzlichsten vermisste.
    Eine Veränderung im Gewebe der Stille zeigte ihm an, dass er nicht länger allein war. Das Knacken und Zischen im Kamin war von einer angespannten Stille abgelöst worden, die sich plötzlich wie ein Grab aufgetan hatte.
    Mit dem Kelch an den Lippen drehte er sich um. Der Spiegel stand mitten auf dem Tisch, von einem Samttuch verdeckt. Es war unmöglich, dass ein unbelebter Gegenstand einen ansah, doch tat der Spiegel genau das. Er zog Savins Aufmerksamkeit auf sich, schwankte zur Seite und kam gleichzeitig näher, als ob Savin von einer ungeheuer hohen Klippe auf ihn hinunterschaute.
    Savin nahm einen Schluck Wein und zog das Tuch weg. Der Spiegel war nicht größer als der einer Dame auf ihrem Toilettentisch, wenn man von dem verwirrend gestalteten Silberrahmen absah, der sich unter dem Blick zu bewegen und in mehr Dimensionen als die bekannten drei auszudehnen schien. Innerhalb des Rahmens

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