Adiós Hemingway
verspürte bereits die wohl bekannte Vorfreude auf dem Gaumen. Zuletzt schüttete er etwas Kaffee in eine Schale und rief seinen Hund, der unter dem Tisch döste. »Aufstehn, Basura, Kaffee ist fertig!«
Das Tier streckte sich und schlich zu seiner Schale. Er steckte die Zunge hinein und zuckte zurück.
»Du musst erst pusten, Basura, der Kaffee ist heiß.«
»Anstatt ihm Kaffee zu geben, solltest du ihn mal baden.«
»Kaffee mag er lieber … Und, ist er gut?«
»Saugut«, bestätigte Manolo. »Wo kriegst du eigentlich so einen guten Kaffee her, Conde?«
»Aus der Dominikanischen Republik. Schickt mir ein Freund vom Alten, der jetzt auch mein Freund ist. Freddy Ginebra. Müsstest du auch kennen.«
»Nein, kenn ich nicht.«
»Komisch! Jeder kennt Freddy Ginebra … Und, was hast du jetzt vor?«
»Weiß ich noch nicht so genau. Einiges werden wir nie erfahren, glaub ich. Auf jeden Fall will ich mit Toribio sprechen und mit dem Sohn von Raúl Villaroy. Vielleicht wissen die ja was …«
»Sie wissen nichts. Weder Hemingway noch Calixto oder Raul haben irgendwem erzählt, was in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober geschehen ist. Meiner Meinung nach waren sie die Einzigen, die die ganze Geschichte kennen. Und alle drei sind tot.«
El Conde rauchte und schaute durchs offene Fenster. »Wir haben alles erfahren, was man erfahren kann …«
»Für mich ist klar, dass Calixto den Agenten getötet hat. Sonst hätte Hemingway ihn nicht nach Mexiko bringen lassen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. In jener Nacht kann sich alles Mögliche abgespielt haben. Möglicherweise hat Calixto nur gesehen, was passiert ist. Oder das FBI war hinter ihm her und nicht hinter Hemingway … Außerdem, warum Calixto nach Mexiko schicken, nachdem die Leiche so gut versteckt war? Kann genauso gut ein Ablenkungsmanöver gewesen sein … Nein, das Ganze ist irgendwie seltsam. Und deswegen bin ich nicht sicher, dass es Calixto war.«
»Was ist los mit dir, Conde? Warum willst du der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen? Hemingway hat Calixto aus Kuba fortgebracht, um ihn vor Strafe zu schützen. Wäre ihm doch zuzutrauen, oder?« Manolo sah seinen ehemaligen Kollegen unverwandt an. »Und wenn er Calixto gedeckt hat, hat er sich doch wirklich wie ein Freund verhalten, nicht wahr?«
»Und warum waren eigentlich alle mit von der Partie, als die Leiche vergraben wurde? Auf der Finca haben sich an dem Abend nur Hemingway und Calixto aufgehalten, aber dann tauchten plötzlich Raúl und Toribio auf, und dann wurde auch noch Ruperto geholt. Ist das nicht merkwürdig? Und die zweite Kugel? Wo verdammt noch mal ist die zweite Kugel? Und aus welcher Waffe stammte sie? Auch aus der Thompson?«
»Conde, Conde …«, sagte Manolo kopfschüttelnd.
»Und wenn die zweite Kugel nicht aus der Thompson stammt? Wenn Hemingway den Mann umgebracht hat, und wenn er Calixto aus einem ganz anderen Grund nach Mexiko gebracht hat? Ich weiß nicht … Zum Beispiel, damit er nicht redet …«
»Mann, Conde, du kannst wirklich alles kompliziert machen. Hör mal, eins will mir nicht in den Kopf gehen: Was hatte der FBI-Agent in dem Haus zu suchen? Wollte er tatsächlich nur seine Pistole und die Dienstmarke holen? Ihn bespitzeln ist eine Sache, bei ihm eindringen eine ganz andere … Schließlich war Hemingway nicht irgendein Blödmann, den sie einfach so unter Druck setzen konnten. Und was ich auch nicht kapiere, warum haben sie die Dienstmarke nicht ins Meer geworfen?«
Manolo nahm sich eine Zigarette aus Marios Schachtel und stand auf. Er ging zur Tür, die auf die Terrasse und den von einem alten Mangobaum beschatteten Innenhof führte.
»Ich würde gerne die fünfzehn fehlenden Seiten aus dem FBI-Dossier sehen.« Manolo blies den Rauch in die Luft und drehte sich um. »Ich weiß nicht, warum, aber ich glaube, da liegt der Schlüssel zu dem, was in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1958 geschehen ist.«
»Es gibt Geheimnisse, die können tödlich sein. In diesem Fall hat es wenigstens zwei Menschen den Tod gebracht: dem FBI-Agenten und Hemingway. Am Ende haben alle verloren.«
»Na, na … Ist er dir jetzt plötzlich nicht mehr so unsympathisch?«
»Weiß nicht. Warten wir mal ab, bis sich der Sturm gelegt hat.«
»Weißt du was? Ich hab die Geschichte noch mal gelesen, du weißt schon, Großer doppelherziger Strom. «
»Und?«
»Eine merkwürdige Geschichte, Conde. Es passiert so gut wie nichts, aber man hat das Gefühl, dass eine ganze Menge
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