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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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Blechmarke hinterhergeworfen. ›Raúl, Toribio, schaufelt ihn zu und streut Holzspäne drauf, damit es wieder so aussieht wie ’n normaler Kampfplatz‹, hat Papa gesagt. ›Und beeilt euch, es wird schon hell, gleich kommt Dolores. Calixto, Rupert, ihr kommt mit.‹ Wir drei gingen ins Haus zurück. Wo der Tote gelegen hatte, war ein Blutfleck zu sehen, der bereits trocknete.
    ›Mach das sauber, Rupert, ich muss mit Calixto reden.‹ Ich machte mich dran, das Blut zu entfernen. War ’ne Scheißarbeit, aber am Ende war alles sauber. Papa und Calixto flüsterten in der Bibliothek miteinander, ganz leise. Ich hab gesehen, wie Papa ihm Geld und ein paar Papiere gegeben hat.
    ›Fertig, Rupert? Gut, dann komm her … Du nimmst jetzt den Buick und fährst mit Calixto und Toribio nach Cojimar. Da machst du die Pilar klar zum Auslaufen und bringst Calixto nach Mérida. Danach kommst du zurück. Und das hier werft ihr ins Meer.‹
    Papa nahm die Thompson in die Hand und sah sie eine Weile an. Es tat ihm in der Seele weh, dass er sich von ihr trennen musste. ›Wie soll ich Gigi das nur beibringen …‹, murmelte er. Es war die Lieblingswaffe von Gigi, seinem Sohn.«
    »Klar, Mensch!«, rief El Conde, »ich hab die Thompson auf einem Foto gesehen! Hemingways Sohn hatte sie in der Hand.«
    »Sie war klein, leicht zu handhaben«, sagte Ruperto.
    »Erzählen Sie bitte weiter.«
    »Papa wickelte sie in ein Tischtuch, zusammen mit einer schwarzen Pistole, und übergab Calixto das Paket.
    ›Los, es wird gleich hell.‹
    Er gab mir einen Klaps, hier, in den Nacken. Calixto schüttelte er die Hand. Er sagte etwas zu ihm, was ich nicht verstehen konnte, und Calixto erwiderte: ›Der Scheißkerl hats verdient, Ernesto.‹ Er war der Einzige von uns, der ihn ›Ernesto‹ nannte.
    ›Du wirst deinen Traum verwirklichen, Calixto. Genieße Veracruz, ich sag dir Bescheid, wenn ich mich in eine Kubanerin verliebe …‹
    Das hat Papa zu ihm gesagt. Als wir aus dem Haus kamen, waren Raúl und Toribio mit ihrer Arbeit bereits fertig. Wir drei, Calixto, Toribio und ich, stiegen in den Buick und fuhren los. Ich tat das, was Papa mir aufgetragen hatte, ich brachte Calixto nach Mérida. Unterwegs warf Calixto die Thompson und die Pistole ins Meer. Das Tuch schwamm auf der Oberfläche, bis wir es nicht mehr sehen konnten. Als ich am nächsten Abend zurückkam und den Buick zur Finca brachte, sagte mir Raúl, dass Papa zum Flughafen gefahren sei und mir und Toribio eine Nachricht hinterlassen habe.«
    Ruperto machte eine kurze Pause und warf den Zigarrenstummel in den Fluss.
    »Er schrieb uns, dass er uns liebe, als wären wir seine leiblichen Söhne, und dass er sich auf uns verlasse, weil wir ganze Männer seien … Papa konnte Dinge sagen, die einen stolz machten, nicht wahr?«
     
    Die Massai pflegen zu sagen: Ein Mann allein ist nichts wert. Aber was sie in Jahrhunderten des Kampfes gegen die Gefahren der Ebenen ihres Landes am besten gelernt haben, ist, dass ein Mann ohne seine Lanze weniger wert ist als nichts. Jäger von alters her und ausdauernde Läufer, gehen sie nur in Gruppen auf die Jagd, vermeiden Kämpfe, wo immer sie können, und schlafen mit ihrer Lanze im Arm, häufig mit dem Dolch im Gürtel, denn auf diese Weise genießen sie den Schutz des Gottes der Steppen.
    Das Bild von Männern, die um ein Feuer hocken und miteinander reden unter einem schwarzen, Sternenlosen Himmel, blitzte in seinem Geist auf, der übergangslos vom Schlaf ins Bewusstsein zurückfand, und durch die beschlagenen Gläser seiner Brille erblickte er den Unbekannten, der das schwarze Spitzenhöschen von Ava Gardner in der Hand hielt, zusammen mit dem Revolver Kaliber 22.
    Der Eindringling stand reglos da und starrte ihn an, als begreife er nicht, wie es ihm möglich war, die Augen zu öffnen und ihn anzusehen. Der Mann war so groß und dick wie er und auch etwa genauso alt. Doch er atmete schwer, vielleicht aus Angst oder aber wegen der Last seines riesigen Bauches. Er trug ein dunkles Jackett, eine dunkle Krawatte, ein weißes Hemd und auf dem Kopf einen schwarzen, schmalrandigen Hut. Man musste nicht die Dienstmarke sehen, um seinen Beruf zu erraten.
    Zu wissen, dass da ein Agent und nicht irgendein Einbrecher vor ihm stand, ließ ihn einigermaßen erleichtert aufatmen. Nur beschämte ihn, dass er Angst verspürt hatte. Noch im Liegen nahm er die Brille ab und begann sie mit dem Laken zu putzen.
    »Besser, Sie bewegen sich nicht«, sagte der Mann, der

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