Adler schießen nicht
1
Der monotone Rhythmus der
Kastagnetten steigerte sich zu einem aufreizenden Crescendo, die Röcke der
Tänzerin flogen hoch und gaben ihre langen, schlanken Beine frei. Ihr
pechschwarzes Haar wippte um ihren zarten Hals, während sie wie ein Kreisel
herumwirbelte. Dann schmetterten die Tschinellen, die Kastagnetten verstummten,
und sie sank graziös mit gesenktem Kopf zu Boden.
»Was halten Sie von ihr, Mr.
Kane ?« fragte Simon Mathis mit einem anzüglichen
Grinsen. »Schön, nicht?«
»Ja, sie ist schön«, gab ich
zu. »Und für Ihre Spelunke ziemlich ungewöhnlich. Sie ist keine Eurasierin,
oder ?«
»Spanierin«, entgegnete er
eitel. »Echtes, spanisches Blut, Mr. Kane. Sie heißt Carmen Diaz und tanzt nur
mir zuliebe hier .«
»Was macht sie überhaupt in Makao ?«
Er zuckte mit seinen breiten,
fetten Schultern. »Das ist ihre Angelegenheit, und ich werde mich hüten, sie
danach zu fragen. Ich bin ihr dankbar, daß sie in meinem bescheidenen
Etablissement auftritt. Die Gentlemen kommen her, um sie tanzen zu sehen .«
»Und verlieren hinterher ihr
Geld an Ihren Spieltischen .«
»Nicht wenn sie Andy Kane
heißen«, sagte er säuerlich. »Sie sind erst zwei Wochen hier und haben bereits
zehntausend Dollar gewonnen .«
»Hongkong-Dollar«, erinnerte
ich ihn. »Das macht in harter Währung kaum dreitausend .«
»In jeder Währung ist es eine
Menge Geld«, erwiderte er geduldig. »Aber ich wollte mich mit Ihnen über Carmen
Diaz unterhalten .«
»Über schöne Frauen zu
sprechen, ist mein zweitliebstes Hobby«, sagte ich.
»Sie möchte Sie kennenlernen .«
»Wozu?«
»Sie hat von Ihnen gehört .« Mathis kniff ein Auge zusammen. »Ich habe ihr von Ihnen
erzählt, Mr. Kane. Sie hat ein Angebot für Sie .«
»Welcher Art?«
»Speziell Ihrer Art, Mr. Kane.«
Traurig schüttelte er den Kopf. »Sie ist ein so schönes Mädchen und hat soviel Kummer .«
»Sie brechen mir das Herz«,
erklärte ich ihm. »Aber ich möchte Kummer mit ihr nicht teilen. Den kann sie
behalten .«
»Das ist nicht sehr galant von
Ihnen, Señor«, sagte eine weiche Stimme hinter mir.
Carmen Diaz trat lächelnd an
unseren Tisch. Ihr langes, schwarzes Haar war in der Mitte gescheitelt und
rahmte apart ihr schmales, ovales Gesicht ein. Ihre Augen waren wie
nachtschwarzer Samt. Das Verlockendste an ihr aber waren die vollen, weichen Lippen.
»Galanterie ist eben nicht
meine Stärke«, meinte ich leichthin.
Sie setzte sich neben mich.
»Ich kann es nicht glauben .« Sie sah Mathis an. »Ist
das derselbe Mann, von dem Sie mir erzählt haben ?«
»Er sieht zwar genauso aus«,
antwortete Mathis, »aber er redet anders. Vielleicht wird er alt ?«
»Alt, schwach und ängstlich«,
stimmte sie zu. »Das habe ich schon oft beobachtet. Äußerlich merkt man es
ihnen nicht an, aber innerlich sind sie hohl. Wie eine taube Nuß .«
»Aber sicher«, gab ich ihr recht . »Genauso ist es. Ich zähle bereits meine grauen Haare
und spiele mit dem Gedanken, in der Heimat Hühner zu züchten .«
Sie beugte sich über den Tisch
und hielt sich mit beiden Händen an der Kante fest. Nicht daß mir ihre Hände
besonders aufgefallen wären; meine Augen weideten überreich woanders, und ich
wollte sie nicht überfordern.
»Ich habe Sorgen, Mr. Kane«,
sagte sie. »Ich bin verzweifelt. Nur ein Mann wie Sie kann mir noch helfen. Ich
flehe Sie an, helfen Sie mir! Bedeutet Ihnen das denn gar nichts ?«
»Mein aufrichtiges Beileid«,
erklärte ich. »Wenn Sie wünschen, gebe ich es Ihnen schriftlich .«
»Und wenn Sie mit Ihrer Hilfe
ein Vermögen verdienen — bedeutet Ihnen das auch nichts ?«
»Davon hat Mathis leider nichts
erwähnt«, informierte ich sie. »Aber wissen Sie, ich mache gerade schon ein
Vermögen, indem ich seine Roulettetische abstaube. Was wäre denn in Ihren Augen
ein Vermögen ?«
»Ich sehe, ich verschwende
meine Zeit«, meinte sie kühl und richtete sich auf.
»Bleiben Sie noch da«, bat ich.
»Einsam zu trinken, macht mir keinen Spaß, außerdem wäre es schade um den
sündhaft teuren Champagner, der einem in dieser Spelunke serviert wird .«
»Sie beleidigen mein
Etablissement«, sagte Mathis, aber er war keineswegs eingeschnappt. »Ich werde
gehen .« Er verbeugte sich vor dem Mädchen und
verschwand.
»Wo brennt’s ?« fragte ich Carmen Diaz.
»Ich brauche Hilfe. Sehr
dringend. Ich brauche die Unterstützung eines Mannes wie Sie, Señor Kane, eines
Mannes, der Hongkong gut kennt, der tüchtig ist und nach
Weitere Kostenlose Bücher