Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
nicht nach Selbsteinladung klingen. »Das machen wir, wenn die großen Glaswände im Wohnzimmer drin sind«, sagt Steffen. »Da schaust du dann gen Westen in den Sonnenuntergang über die Wiesen. Es gibt nichts Friedlicheres.«
Steffen ist bei meinen Haarsträhnen rund ums Gesicht angekommen und schneidet hochkonzentriert. Wenig später streicht warmer Wind über meinen Kopf. Steffen setzt immer den Diffuser auf den Föhn, eine Art Luftverteiler. Der plustert die Haare ein bisschen auf. Ist zwar alles fake, aber egal. Mit dem warmen Wind stellt sich ein Gefühl der Geborgenheit bei mir ein.
»Wir werden schöne Ruinen, später mal«, verkündet Steffen. Schließlich haben wir noch einige Jahrzehnte vor uns. Mit einem klugen Friseur ist das kein Problem.
In der Modeabteilung: Rollenspiele in »Size Germany«
Styling mit 50 ? Ist ein Luxusproblem des Westens. Als ich vor Kurzem in Indien Urlaub gemacht habe, beneidete ich die älteren Frauen, die genau wie ihre jungen Geschlechtsgenossinnen farbenfrohe Saris mit feinen Mustern um ihre Körper drapierten.
Fünf Meter lange Stoffbahnen, durch unsichtbare Unterröcke mit Zugband gehalten und über die Schulter geworfen, umschmeicheln die Körperformen. Den Wunsch nach Schönheit delegiert man in Indien an Stoffe, Farben und Muster– und nicht an die vergängliche Haut darunter. Der Sari ist ein wirklich altersdemokratisches Kleidungsstück. Nur leider nichts für uns Westlerinnen.
»An uns sähen solche Kleidungsstücke schrill und kitschig aus«, stellt meine Freundin Britt bedauernd fest. »Das Klima, das Sonnenlicht, die Hautfarbe, das passt einfach nicht. Wir brauchen was Eigenes.«
Das ist nicht so einfach. Eine britische Tageszeitung hat unlängst infrage gestellt, ob Frauen über 50 noch schwarze Lederjacken tragen dürfen (könnte zu hart wirken), oder Kleider mit kleinem Blümchendruck (zu girliehaft), oder gar breitkrempige Hüte (zu verschroben).
Britt und ich waren neulich in einem Nobelkaufhaus in Berlin. Eigentlich gehe ich schon lange nicht mehr mit Freundinnen gemeinsam Klamotten shoppen. In unserem Alter steht man lieber einzelkämpferisch in der Umkleidekabine und hält das Leben, den Spiegel und die Beleuchtung aus, wenn es denn sein muss. Aber ich hatte Britt im Café getroffen, und mit ihr kann man sich das trauen.
»Du musst die Sache ganz anders angehen«, sagt Britt. »Stell dir vor, dein Leben ist ein Theaterstück. Du spielst die Hauptrolle und weißt nicht, was im nächsten Akt kommt. Aber die Kostüme kannst du dir aussuchen.« Wir fahren auf der Rolltreppe nach oben in den dritten Stock. Mir fällt die schmeichelnde Beleuchtung an den Treppen auf, ein Licht, das freudige Erwartung weckt. In den Spiegeln bekommt die Haut einen schönen Bronzeton, und man sieht leicht unscharf aus, wie auf den alten Fotos in Biographien, die von bedeutsamen Frauen handeln. Der Eindruck von Unschärfe kann aber auch daher rühren, dass ich heute meine Brille nicht trage.
Die entscheidende Frage beim Styling ab 50 lautet: Was tun mit der Verdickung in der Körpermitte?
Die Burka ist auch keine Lösung
Bei Männern gestaltet sich die Lösung des Problems recht einfach: Entweder man zieht die Hose hoch über die Wampe bis zur Brust, oder man schließt die Jeans über der Hüfte und lässt den Bauch über den Hosenbund hängen. Letztere Lösung erfordert meist auch einen neuen Stil des Hemdentragens: Tunlichst steckt man das Hemd oder T-Shirt nicht mehr in den Hosenbund, sondern lässt es locker über die Wampe hängen, in der Hoffnung, sie so etwas zu verstecken.
Frauen stehen vor einem komplexeren Stylingproblem. Was soll frau tun: Sich ins Sportliche flüchten und nur noch Kapuzensweatshirts zu Jeans anziehen? Weiter hautenge T-Shirts mit viel Stretch tragen? Auf weites, flatterndes Leinen umsteigen, sich in schwingende Midiröcke wagen und auf Natur machen? Matrose oder Matrone?
Meine Freundin Suse, 50 , hat in einer ihrer depressiven Phasen behauptet, in ihrem Alter erkenne sie den wahren Wert der Burka. Wenn sich alle verhüllten, wäre es wurscht, wie man aussieht. Es gäbe zwischen den Frauen keine öffentlichen Konkurrenzkämpfe mehr um schmale Taillen und schlanke Beine. Das wäre doch eine riesige Entlastung. Suse hatte einen Beitrag dazu in ihrem Frauenblog geschrieben und für ihr Lob der Burka empörte Kommentare kassiert. Was zu weit geht, geht zu weit.
Dabei können wir uns trösten: Dicker zu werden ist nicht nur eine Frage des
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