Aeon
Hinter ihm fuhr Link auf ihrem Stuhl hoch und stellte flugs ein Funksignal ein.
»Es nähert sich ein OTV «, meldete einer der wachhabenden Soldaten in der äußeren Mulde. »Kein russisches, sondern eins von uns.«
Link gestikulierte mit der einen Hand, während die andere in rascher Folge über die Tasten huschte. »Captain Kirchner, wir kriegen ein OTV von Station sechzehn. Es ist beschädigt und konnte nicht zur Mondsiedlung ausweichen … Sir, es heißt, sie haben Judith Hoffman an Bord.«
Kirchner wirbelte auf seinem Drehstuhl herum. »Wundert mich nicht«, meinte er. »Reinholen! Miss Pickney, wo habe ich nur mein Jackett gelassen?«
32
Mirski marschierte langsam über das Feld – nicht so sehr aus Vorsicht, sondern eher um seine Würde zu demonstrieren und einen ersten Eindruck ihrer Verluste zu gewinnen. Lanier, Lieutenant Jaeger, Major Annenkowski und Pletnew näherten sich zügig, bis nur noch wenige Meter sie trennten. Pletnew trat vor, drückte Mirski die Hand, wobei er auch seinen Unterarm umfasste, trat dann wieder zurück und blieb allein stehen.
Mirski betrachtete die Toten, die auf dem Feld verstreut lagen. Zwei steckten zur Hälfte in einem unfertigen Schützenloch; kleine, eingebrannte Löcher und verkohlte Hautfetzen lugten durch die versengte Uniform. Bislang hatte er achtundzwanzig Tote gezählt. Insgesamt waren es mindestens doppelt so viele auf dem Feld. Seine Gedanken schweiften von taktischen Überlegungen ab und beschäftigten sich mit dem heiklen Aspekt toter Kameraden.
Die einundvierzig Verwundeten in der zweiten Kammer wurden von nur zwei Sanitätskorpsmitgliedern verpflegt. Sosnitski, der nicht mehr aus dem Koma erwachte, war am Vortag gestorben. Von den Verwundeten starben täglich zwei, drei oder vier.
Mirski wandte sich an Pletnew. »Stimmen die uns übermittelten Nachrichten – Ihre Worte, Ihre Information?«
»Ja«, antwortete Pletnew.
»Irgendwelche Instruktionen von der Erde?«
»Nein.«
»Schlimm?«
»Sehr schlimm«, sagte Pletnew leise und kratzte sich an der Backe. »Wird keine Sieger geben.«
»Keinerlei Instruktionen von irgendwo? Vom Verteidigungsrat in irgendeiner Schanze, von einer Gruppe, einer Station, von überlebenden Offizieren?«
Pletnew schüttelte den Kopf. »Nichts. Um uns kümmert sich derzeit verständlicherweise keiner.«
»Haben Sie irgendwelche Kriegshandlungen mitbekommen?«, fragte Mirski mit verkniffener Miene.
»Wir haben Russland die ganze Nacht leuchten gesehen. Ganz Europa brennt.«
»Wer von Ihnen spricht Russisch?«, erkundigte sich Mirski unwirsch und musterte dabei Lanier und Jaeger.
»Beide«, erklärte Lanier.
»Gewinnt Ihr Land?«
»Nein«, sagte Lanier.
»Wir sind alle Schweine «, sagte Mirski.
Pletnew schüttelte den Kopf. »Wir haben alle nur unsere Pflicht getan, Genosse General. Sie haben eine respektable …«
»Wie viele Schiffe haben überlebt?«, unterbrach ihn Mirski.
»Vier«, antwortete Pletnew. »Und wie viele Männer?«
Lanier, Jaeger und Major Annenkowski warteten auf Mirskis Antwort.
»Zweihundert – nein, ungefähr hundertachtzig hier.« Mirski runzelte, an Lanier gewandt, die Stirn. »Ich weiß nicht, wie viele in den anderen Kammern. Vielleicht siebenhundert insgesamt. General Sosnitski ist gestern gestorben.«
»Dann sind Sie der ranghöchste Offizier«, stellte Pletnew fest.
»Wir sollten uns an den Verhandlungstisch setzen«, sagte Lanier. »Es wäre sinnlos, den Kampf wieder aufzunehmen.«
»Ja«, sagte Mirski, der sich auf dem Feld umsah und dann langsam den Kopf schüttelte. »Wenn nur noch wir übrig sind … wäre kämpfen sinnlos.«
»Die Erde ist nicht tot«, betonte Lanier. »Sie ist schwer angeschlagen, aber nicht tot.«
»Wie kommt’s«, sagte Mirski, »dass Sie so sicher sind?«
»Ja«, sagte Pletnew in Englisch. »Sie haben also Verbindung zu Ihren Vorgesetzten?«
»Nein«, erwiderte Lanier. »Ich habe davon gelesen und es kommen sehen. Es ist eine lange Geschichte, General Mirski, und ich glaube, es wird Zeit, dass sie bekannt wird.«
Während die Toten liegen blieben, wo sie gefallen waren, wurde den Russen Zutritt in die ersten vier Kammern eingeräumt, wofür Angehörige des westlichen Blocks wiederum Zutritt zum Lager und Aufzug null der ersten Kammer bekamen. Man verpflichtete sich, von bilateralen Sicherheitstruppen die Verkehrswege überwachen zu lassen. Unter dieser Voraussetzung wurden Leichen und Trümmer von der südlichen Kappe und aus dem Bohrloch
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