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Aeon

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Titel: Aeon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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werde bremsen, falls jemand in Schwulitäten kommt.«
    »Worauf du dich verlassen kannst«, meinte Carrolson von der Kabine.
    Lanier verfolgte, wie sich der Korridor langsam und majestätisch um sie drehte. Durch die Windschutzscheibe war zu sehen, wie der Korridorboden mit dem Perlmuttglanz der Plasmaröhre verschmolz. Ohne Ende vielleicht …
    »Die endgültige Flucht, was?«, meinte Heineman, als würde er seine Gedanken lesen. »Da fühlt man sich wieder jung.«

34
    Nachdem Olmy bei drei verschiedenen Gelegenheiten in sein isolierendes Lichternetz eingetaucht war, gelangte Patricia zur Einsicht, dass Talsit was Widerwärtiges an sich hatte. Vielleicht machte es süchtig – was immer es auch sein mochte.
    Sie waren schon mindestens drei Tage – vielleicht sogar fünf – unterwegs; während Olmy und der Frant sich stets höflich benahmen und ihre Fragen beantworteten, waren sie nicht gerade redselig. Patricia schlief viel und träumte von Paul. Sie berührte seinen letzten Brief, den sie in der Brusttasche ihres Overalls noch bei sich trug. Einmal wachte sie schreiend auf und sah, wie der Frant spasmodisch auf seinem Lager zuckte. Olmy war halb von seiner Liege gefallen und sah sie mit tiefer Besorgnis an.
    »Verzeihung«, entschuldigte sie sich.
    »Macht ja nichts«, sagte Olmy. »Ach könnten wir nur helfen! Wir könnten es sogar, aber …«
    Er sprach nicht zu Ende. Ein paar Minuten später, als ihr Herz zu klopfen aufhörte und sie nicht mehr wusste, warum sie geschrien hatte, fragte sie Olmy, was er gemeint habe, als er sagte, sie könnten ihr helfen.
    »Talsit«, war seine Antwort. »Glättet das Gedächtnis, setzt Prioritäten, ohne das Gedächtnis abzustumpfen. Blockiert unterbewussten Zugang zu gewissen störenden Erinnerungen. Nach Talsit können solche Erinnerungen nur durch direktes, bewusstes Wollen aufgetan werden.«
    »Oh«, staunte Patricia. »Warum kann ich nichts von diesem Talsit kriegen?«
    Olmy schüttelte lächelnd den Kopf. »Du bist rein«, sagte er. »Ich würde mir Tadel einhandeln, wenn ich dich in unsere Kultur einführte, bevor unsere Gelehrten Gelegenheit hätten, dich zu studieren.«
    »Klingt, als wäre ich ein Musterexemplar«, meinte Patricia.
    Der Frant gab jenes kolossal verstärkte Zähneknirschen von sich. Olmy warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und schwang sich aus seiner Liege. »Natürlich bist du das«, erklärte Olmy. »Was möchtest du essen?«
    »Bin nicht hungrig«, erwiderte Patricia, die sich wieder zurücklegte. »Ich habe Angst und Langeweile und schlechte Träume.«
    Der Frant musterte sie aus seinen großen braunen Augen. »Bitte«, sagte er und klang wie eine verstimmte Dampfpfeifenorgel, »ich kann nicht helfen.«
    »Ein Frant will immer helfen«, erklärte Olmy. »Wenn ein Frant nicht helfen kann, empfindet er Schmerz. Ich fürchte, du bist eine schwere Prüfung für meinen Frant.«
    » Deinen Frant? Er gehört dir?«
    »Nein, er gehört mir nicht. Für die Dauer des Projekts verbindet uns die Pflicht. Quasi eine soziale Symbiose. Wir teilen unsere Gedanken.«
    Patricia schenkte dem Frant ein Lächeln. »Fühl mich ganz wohl«, sagte sie.
    »Du lügst«, urteilte der Frant.
    »Hast recht.« Patricia streckte zaghaft die Hand aus und berührte den Arm des Frant. Die Haut war glatt und warm, aber nicht elastisch. »Ich fürchte weder dich – noch dich«, sagte sie. »Habt ihr mich unter Drogen gesetzt?«
    »Nein!«, erklärte Olmy und schüttelte heftig den Kopf. »Es darf an dir nichts manipuliert werden.«
    »Es ist so seltsam. Ich glaube nicht einmal, dass es Wirklichkeit ist, aber fürchte mich nicht.«
    »Das ist vielleicht gut so«, sagte der Frant mit Eifer. »Bist du erwacht, sind wir ein Traum.«
    In den nächsten Stunden fiel kein Wort mehr. Patricia lag mit dem Gesicht zum Fenster und stellte fest, dass der Korridor wiederum das Aussehen verändert hatte. Nun war es mit Linien überzogen, die einem dichten Straßennetz glichen. Während sie spiralförmig – mit einer Umdrehung pro fünfzehn bis zwanzig Minuten – die Plasmaröhre umkreisten, sah sie, dass der ganze Boden mit dem Muster überzogen war, das sie nicht zu deuten wusste. Es schien sich dort nichts zu bewegen, aber auf eine Entfernung von mehr als zwanzig Kilometern konnte sie sich da nicht sicher sein.
    Der spiralförmige Kurs des Schiffs war hypnotisierend. Mit Schrecken stellte sie fest, dass sie seit einigen Minuten unbewusst auf ein neues Phänomen gestarrt hatte. Über das

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