Aeon
genau das zu verhindern, denn dort befinden sich auch Schächte, Tore zu anderen Universen mit potenziellen »Beobachtern«. Apropos Messung …
Die Messungen im Korridor
Bear beschreibt drei Arten von Messungen im Korridor. Die erste ist konventionell und errechnet raumbezogene Abstände , wenngleich auf höchster Ebene: So wird die Strecke zwischen der Thistledown im Aste roiden und der Axis City im Korridor mit »zwei mal neun« angegeben, was bedeutet: 2 hoch 9 = 2 Milliarden Kilometer. Hat man sich an diese Notation erst mal gewöhnt, kann man auch andere Längenangaben leicht übersetzen: »vier mal sechs« etwa sind 4 Millionen Kilometer.
Die zweite Messung beschäftigt sich mit der Geschwindigkeit und damit der Raumzeit innerhalb des Korridors. Denn dieser bewegt sich alle 1000 km um genau 1 Jahr vorwärts in der Zeit. Im Grunde stellt er also nicht nur eine räumliche Verbindung sondern auch eine Zeitmaschine dar: Bewegt man sich vom Asteroiden in den Korridor hinein, schreitet man gleichsam in die Zukunft und umgekehrt in die Vergangenheit. Zusätzlich – und das ist noch beunruhigender – durchläuft der Korridor »mit jedem Millimeter-Bruchteil ein anderes Universum«; als physikalische Basis diente also die Theorie eines Superraums, in dem die einzelnen Universen in winzigen Dimensionen existieren (hierzu weiter unten). In welchem befinden sich aber die Protagonisten?
Um dies festzustellen, benötigen wir eine dritte Art von Messung. Hierfür ließ sich Patricia Vasquez ein »Multimeter« bauen, ein Gerät, mit dem sie den Wert einiger physikalischer Naturkonstanten bestimmen kann. Als erstes misst sie, ob die in regelmäßigen Abständen befindlichen Mulden des Korridors eine Veränderung der Kreiszahl Pi bewirken (welche überall auf unserer Erde und auch im uns bekannten Weltraum 3,14149 etc. beträgt). Denn sie vermutet, dass der Kreisdurchmesser in jedem gravierend verzerrten Raum im Verhältnis zu seinem Umfang größer oder kleiner werden müsste. Auch andere Konstanten würden demnach in Abhängigkeit zu Verzerrungen in höherer Geometrie variieren. Zudem misst sie, ob das Plancksche Wirkungsquantum h im Korridor noch dasselbe ist wie in ihrem Heimatuniversum.
In der Tat stellt h eine der fundamentalen Naturkonstanten der Physik dar – was bedeutet, dass sein Wert überall im Universum gleich ist. Sollte es auch nur geringfügig abweichen, würden sich Materie und Strahlung anders verhalten oder wären unter Umständen nie entstanden. Max Planck, der diese Konstante 1900 einführte, setzte dabei Energie ( E ) und Frequenz ( f ) eines Lichtteilchens (Photon) miteinander in Beziehung. Er entdeckte, dass die Wirkung eines physikalischen Vorgangs (also das Produkt aus umgesetzter Energie und Zeit) nicht jeden beliebigen Wert haben kann, sondern nur ganzzahlige Vielfache einer extrem kleinen Zahl, die er Wirkungsquantum nannte und mit h symbolisierte. Mit diesem Kunstgriff konnte er das Spektrum beschreiben, das die Strahlungsenergie auf die verschiedenen Frequenzen (Farben) verteilt und entwickelte daraus sein berühmtes Strahlungsgesetz :
Doch es gibt beunruhigende Hinweise, dass die Naturkonstanten – auf lange Zeiträume gesehen – doch nicht so konstant sind. So lieferten Beobachtungen mit dem Keck-I-Teleskop auf Hawaii 2001 einen Hinweis, dass etwa die fundamentale Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante »Alpha« (von der die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung abhängt) früher kleiner gewesen sein dürfte als heute. Das Forscherteam untersuchte Quasare aus einem Zeitraum, der 23 bis 87% des Alters unseres Universums überdeckt, und berechnete anhand der Rotverschiebung einen Alpha-Wert, der kleiner als der heutige Laborwert ist (zwar um nur 7,2 Millionstel, aber ausreichend, um große Auswirkungen auf moderne Theorien zur Naturbeschreibung zu haben). Da auch andere Naturkonstanten mit Alpha korreliert sind, hätte der Umstand, dass sie von der Zeit (oder, was gleichbedeutend ist, von großen Massen und Beschleunigungen) abhängig sind, revolutionäre Folgen: Dann würden nicht nur die Naturgesetze ihre universelle Gültigkeit verlieren, sondern wir hätten auch einen Hinweis auf zusätzliche Dimensionen des Raums, wie sie die Stringtheorie postuliert.
Die Städte entlang der Singularität
Mit »Defektschiffen« überwinden die Protagonisten entlang der Singularität in kürzester Zeit Millionen von Kilometern und erreichen Axis City , den ersten von mehreren
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