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Mauer, Jeans und Prager Frühling

Mauer, Jeans und Prager Frühling

Titel: Mauer, Jeans und Prager Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd-Lutz Lange
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Vorwort
    Wie »Magermilch und lange Strümpfe« soll auch dieses Buch Erinnerungen wachrufen, Erinnerungen an eine stürmische Zeit, die sechziger Jahre.
    Hatte so mancher aus meiner Generation zuvor noch Freunde und Verwandte im Westen Deutschlands besuchen und in den Fünfzigern das galoppierende Wirtschaftswunder bestaunen können: am 13. August 1961 war damit Schluß. Nach dem Bau der Mauer saßen wir in der Falle; ein ganzes Land hatte Stubenarrest bekommen.
    Für wenige Wochen im Jahr durften wir zwar in der ČSSR, Polen und Ungarn etwas Freizügigkeit tanken, in den restlichen Monaten mußten wir uns jedoch im Land einrichten. Aber Gleichgesinnte finden überall und unter allen Umständen zueinander. Wir trafen uns in der Nische; dort wurde gespottet, gelacht, gesungen und getanzt. Die Party- und Fetenkultur in der DDR ist ein handfester Beleg dafür, daß junge Leute in Sachsen und Thüringen trotz Mauer, Stacheldraht und Bespitzelung genauso ausgelassen feierten wie ihre Altersgenossen in Bayern oder Hessen. Manchmal vielleicht sogar noch etwas ungestümer.
    Wer nach der Mauer im Osten Deutschlands Beruhigung erwartet und gehofft hatte, daß die Partei hinter den geschlossenen Grenzen liberaler regieren würde, sah sich getäuscht. Es kam zu schweren Repressalien in Kunst und Kultur, die Wehrpflicht wurde eingeführt.
    Die es im Land nicht aushielten, die Flucht wagten, riskierten Gefängnisstrafen oder gar ihr Leben. Bis zur Möglichkeit, einen Ausreiseantrag zu stellen, sollten noch viele Jahre vergehen.
    Weil er unerreichbar geworden war, verklärte sich der Westen von Jahr zu Jahr mehr. Wir jungen Leute hatten erstmal nur einen handfesten materiellen Wunsch: Jeans. Dazu gesellten sich Bücher und Schallplatten, die im Osten nicht zu haben waren. Obwohl wir in völlig verschiedenen Gesellschaftsordnungen aufwuchsen, teilten die Jugendlichen aus Ost und West die Liebe zur Musik der Beatles und der Rolling Stones, zu den Liedern von Joan Baez und Bob Dylan, Simon und Garfunkel, und wie sie alle hießen.
    Die sechziger Jahre brachten im Westen starke Protestbewegungen gegen den Vietnamkrieg hervor, gegen das Establishment, die fehlende Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit.
    Auch uns beschäftigte der Krieg, den die USA in Südostasien führten, und wir hofften auf sein schnelles Ende.
    Interessiert verfolgten wir den Eichmann-Prozeß oder die Proteste gegen Globke und Konsorten, Altnazis allesamt, die es in der BRD schon wieder zu Regierungsämtern gebracht hatten. Gegen unser »Establishment« konnten wir zwar nicht auf die Straße gehen, aber viele der jungen Ostdeutschen waren zuversichtlich, schauten in jenen sechziger Jahren vor allem nach Prag. Die Reformen in der ČSSR ließen uns auf Veränderungen im gesamten Ostblock hoffen.
    Ich war siebzehn, als der Stacheldraht in Berlin ausgerollt wurde. In einem Schlager heißt es »Mit siebzehn hat man noch Träume«. Auch ich hatte welche. Bis so mancher meiner Träume wahr wurde, gingen Jahrzehnte ins Land.

Die Mauer
    Es gibt bekanntlich Situationen im Leben, die man nie vergißt. Bestimmte Bilder, verbunden mit gravierenden Ereignissen, prägen sich ein und sind jederzeit abrufbar, wenn in Gesprächen jene Ereignisse berührt werden.
    Mir steht ein Erlebnis, das ich als 17jähriger hatte, noch immer vor Augen. An einem Sonntagvormittag im August 1961 klingelte es an meiner Wohnungstür. Obwohl ich damals noch zu den fleißigen Kirchgängern zählte und im gemischten Chor in der nahe gelegenen Methodistenkirche als Tenor sang, war ich an jenem Sonntag zu Hause geblieben, hatte »bis in die Puppen« geschlafen. Als ich noch etwas verschlafen öffnete, stand ein Freund in der damals üblichen feineren Sonntagskleidung vor mir und sagte statt grüß dich!: »Hast du’s schon gehört?«
    »Was?«
    »Die bauen eine Mauer.«
    »Wer?«
    »Die DDR.«
    »Die DDR?«
    »Ja.«
    Ich sah meinen Freund verwundert an und kapierte überhaupt nichts.
    »Wo?«
    »In Berlin.«
    »In Berlin?« fragte ich, als hätte ich den Namen der Hauptstadt unserer Deutschen Demokratischen Republik noch nie gehört. »Komm erst mal rein.«
    »Die machen die Grenze dicht.«
    »Die Grenze?!«
    »Ja.«
    Nun dämmerte es bei mir. Die Grenze nach Westberlin.Diese Stadt war der Stachel im sozialistischen Fleisch, der Hort des Bösen, die Frontstadt, obwohl an dieser Front glücklicherweise noch nie geschossen worden war. Das sollte sich erst nach und nach ändern. In Westberlin, so sagte die

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