Aerger im Bellona-Club
erniedrigt haben, Geld zu heiraten wie die unmögliche Felicity. Er heiratete also eine geeignete Frau aus niederem Adel. Sie starb (wohl hauptsächlich an der militärischen Regelmäßigkeit, mit der ihr Mann sie ihren Mutterpflichten nachkommen ließ) und hinterließ ihm eine große, aber schwächliche Kinderschar. Von diesen Kindern erreichte nur ein Sohn das Erwachsenenalter, und das war der Vater der beiden Fentimans, die Sie kennen – Major Robert Fentiman und Hauptmann George Fentiman.«
»Ich kenne Robert nicht besonders gut«, warf Wimsey dazwischen. »Ich habe ihn mal kennengelernt. Furchtbar herzlich und so – Soldat vom Scheitel bis zur Sohle.«
»Ja, er ist ein Fentiman vom alten Schlag. Der arme George hat, wie ich fürchte, einen schwächlichen Zug von seiner Großmutter geerbt.«
»Ja, die Nerven«, sagte Wimsey, der die körperlichen und seelischen Strapazen, denen George Fentiman ausgesetzt gewesen war, besser kannte als der alte Rechtsanwalt. Der Krieg lastete schwer auf dem Gemüt sensibler Menschen in verantwortungsvoller Position. »Und dann ist er auch noch in einen Gasangriff geraten«, fügte er zu Georges Entschuldigung hinzu.
»Richtig«, sagte Murbles. »Robert ist, wie Sie wissen, unverheiratet und noch in der Armee. Er lebt natürlich nicht besonders üppig, denn kein Fentiman hat je einen krummen Penny gehabt, wie man, glaube ich, heutzutage sagt. Aber er hat sein Auskommen. George «
»Ach ja, der arme George! Sie brauchen mir nichts von ihm zu erzählen, Sir. Die alte Geschichte. Brauchbarer Beruf – unkluge Heirat – läßt 1914 alles stehen und liegen, um einzurücken – kommt als Invalide zurück – Stelle futsch, Gesundheit futsch – kein Geld – tapfere Frau sorgt dafür, daß Ofen raucht – Nase voll bis oben hin. Schonen wir unsere Gefühle. Setzen wir das als bekannt voraus.«
»Richtig, damit brauche ich mich nicht weiter zu befassen. Der Vater ist tot, und bis vor zehn Tagen gab es von der älteren Generation nur noch diese beiden Fentimans. Der alte General lebte von einem bescheidenen festen Einkommen, das sich aus der Hinterlassenschaft seiner Frau und seiner Pension zusammensetzte. Er hatte eine kleine Wohnung in der Dover Street und einen älteren Diener und wohnte praktisch im Bellona-Club. Und außer ihm gab es noch seine Schwester Felicity.«
»Wie ist sie überhaupt Lady Dormer geworden?«
»Nun, damit kommen wir auf den interessanten Teil der Geschichte. Henry Dormer «
»Der Knöpfemacher?«
»Der Knöpfemacher. Er wurde wirklich schwerreich – so reich, daß er in der Lage war, einer bestimmten hochgestellten Persönlichkeit, die wir nicht beim Namen zu nennen brauchen, finanzielle Hilfe anzubieten, und so wurde er zu gegebener Zeit und in Würdigung seiner nicht näher bezeichneten Verdienste ums Vaterland Sir Henry Dormer. Sein einziges Kind – ein Mädchen – war gestorben, weiterer Nachwuchs stand nicht in Aussicht, und so gab es keinen Grund, ihn für seine Mühen nicht zum Baronet zu machen und damit in den erblichen Adelsstand zu erheben.«
»Was sind Sie für ein bissiger Mensch!« sagte Wimsey. »Kein Respekt, kein schlichter Glaube, nichts. Kommen Juristen manchmal in den Himmel?«
»Mir liegen diesbezüglich keine Informationen vor«, antwortete Mr. Murbles trocken. »Lady Dormer «
»Ist die Ehe ansonsten gut gegangen?« wollte Wimsey wissen.
»Ich glaube, sie war sogar sehr glücklich«, antwortete der Anwalt, »was auf eine Art ein Nachteil war, da es die Möglichkeit einer Aussöhnung mit der Familie gänzlich ausschloß. Lady Dormer, die eine herzensgute, großmütige Frau war, machte laufend Friedensangebote, aber der General blieb starr auf Abstand. Sein Sohn tat es ihm gleich – teils wohl aus Respekt vor den Wünschen des alten Herrn, hauptsächlich aber, wie ich glaube, weil er in einem Indienregiment diente und meist im Ausland war. Robert Fentiman hingegen brachte der alten Dame eine gewisse Aufmerksamkeit entgegen, besuchte sie gelegentlich und so weiter, und dasselbe tat George eine Zeit lang. Natürlich ließen sie den alten General nie etwas davon wissen, sonst hätte ihn der Schlag getroffen. Nach dem Krieg ließ George dann seine Großtante sozusagen fallen – warum, weiß ich nicht.«
»Ich kann es mir denken«, sagte Wimsey. »Keine Arbeit – kein Geld, verstehen Sie? Wollte nicht wie ein Bettler aussehen. So ähnlich.«
»Möglich. Oder es könnte auch Streit gegeben haben. Ich weiß es nicht.
Weitere Kostenlose Bücher
Die vierte Zeugin Online Lesen
von
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg