Aerzte zum Verlieben Band 42
sprach. Denn darum ging es doch. Anna hatte es gespürt, weil auch ihre Fassade Risse bekommen hatte.
Gegen Ende ihrer zweiten gemeinsamen Arbeitswoche dachte sie: Wir beide sind wie Schauspieler. Wir wissen, dass wir nur eine Rolle spielen, aber wir spielen sie perfekt.
Noch beunruhigender fand sie allerdings, dass sie anfing, sich Gedanken zu machen, wie Luke wirklich war. Der Luke, der sie offen angelächelt hatte. Warum kam er jeden Tag mit feuchten Haaren zur Arbeit, umgeben von dem frischen, salzigen Duft nach Meer? Die Verlockung, ihn einfach zu fragen, wurde immer stärker. Genau wie das Verlangen, seine Haare zu berühren, ihr Gesicht daran zu schmiegen und tief einzuatmen …
Sie wollte wissen, warum er es nicht zugab, wenn sein Bein schmerzte, obwohl sie es ihm deutlich ansah. Dann würde sie am liebsten über die tiefen Linien in seinem angespannten Gesicht streichen, mit den Fingerspitzen oder mit den Lippen … Die Versuchung blieb, und je heftiger sie sie bekämpfte, umso unwiderstehlicher wurde sie.
Wer Dr. Davenport und Dr. Bartlett zusammen arbeiten sah, hätte nie so etwas vermutet. Sie waren Kollegen, gingen zurückhaltend und respektvoll miteinander um. Wenn sie miteinander redeten, dann über ihre Patienten, ihre Arbeit, über Forschungsergebnisse und neue Technologien. Es gab unendlich viele Themen.
Luke war ein unendlich faszinierender Mann, und es verging kein Tag, an dem Anna nicht an ihn dachte.
Ohne Anna wäre Luke versucht gewesen, das Handtuch zu werfen.
Es war jeden Tag das Gleiche. Er fühlte sich eingesperrt in einem Betrieb, der voller verantwortungsloser Zeitgenossen zu sein schien, die sich ihre Krankheiten selbst zuzuschreiben hatten. Kettenraucher, die sich noch darüber wunderten, dass sie wegen ihrer verengten Blutgefäße einen Herzinfarkt bekamen. Krankhaft Fettleibige, die auf die lebensrettende Operation warteten.
Und wozu? Um hinterher weiterzuleben wie bisher? Damit sie auf dem Sofa liegen und Fast Food in sich hineinstopfen konnten?
„Ich werde Walter Robson nicht operieren“, erklärte er Anna gegen Ende der Woche, als sie gerade die Visite beendet hatten. „Ich weigere mich, meine Zeit damit zu verschwenden, jemanden zu reparieren, der seinen gesundheitsschädlichen Lebenswandel danach fortsetzt. Robson begeht Selbstmord auf Raten, und da ist er nicht der Einzige“, fügte er frostig hinzu.
Falls er gehofft hatte, sie mit dieser harten Ankündigung aus der Reserve zu locken, so wurde er enttäuscht.
„Ich stimme Ihnen zu, dass er kein guter Kandidat für eine Operation ist“, antwortete sie ruhig. „Aber vielleicht ist das für ihn ein Anreiz, mit dem Rauchen aufzuhören und abzunehmen. Wenn wir das Risiko eines Herzversagens mindern und seinen Diabetes unter Kontrolle bekommen, wäre ein Eingriff weniger gefährlich.“
Luke explodierte fast. Er war drauf und dran, mit der Faust gegen die Wand zu schlagen und seine Kollegin einfach stehen zu lassen. Oder Anna zu sagen, was ihm wirklich durch den Kopf ging.
Dass sie keine Ahnung von Gefahren und Risiken hatte. Ein echtes Risiko gingen nur die jungen, gesunden Menschen ein, die an der Seite ihrer Kameraden für Freiheit und Menschenrechte kämpften. Sie zusammenzuflicken, das waren lebensrettende Operationen, die einen Sinn hatten.
Aber wenn erst einmal anfing, würden Dämme brechen, die besser unversehrt blieben. Er würde Anna mit einem Leben konfrontieren, das für ihn nur noch in seinen Albträumen existierte. Auch von diesen Träumen musste er sich befreien, um auf Dauer überleben zu können.
Zu seinem eigenen Erstaunen hatte er eine neue Möglichkeit entdeckt, um sich von dem Horror der Nacht abzulenken und dem Gefühl, zu ersticken, das ihn auch während der Arbeit jederzeit überfallen konnte: Wenn er an Anna dachte, selbst nur für Sekunden. Es wirkte wie eine Beruhigungsspritze, es entspannte ihn.
Während Anna von Walter Robsons Anämie und seinen chronischen Lungenproblemen redete, war ihre Stimme nur noch ein sanftes Summen im Hintergrund. Luke ließ den Blick über ihr schimmerndes Haar gleiten, zu dem festen Knoten, zu dem sie es im Nacken geschlungen hatte. Die Spange war einfach zu lösen. Dann wären die seidigen Strähnen immer noch fest zusammengedreht, aber Luke stellte sich vor, wie er die Hände hineinschob, das Haar entwirrte, bis es ihr in sanften Locken auf die Schultern fiel.
Er seufzte leise. Es hatte wieder gewirkt, seine Verzweiflung und sein Zorn
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