Aerzte Zum Verlieben Band 59
sicher auf fruchtbaren Boden. Sie würden sich an ihre Worte erinnern, später im Umgang mit ihren Patienten, und dem einen oder anderen behutsam erklären können, dass Hilfe möglich war.
Doch als sie vor ihnen stand, fröhlich, lachend, die kompetente Sextherapeutin, die mit dem atemberaubenden James verheiratet war, kam sie sich wie eine Betrügerin vor.
Sie konnte sich kaum noch erinnern, wann sie zuletzt mit ihm geschlafen hatte. Körperlich waren sie sich schon lange nicht mehr nahe. Da wäre es mehr als blauäugig, darauf zu vertrauen, dass er sich in den letzten drei Monaten keine andere gesucht hatte.
Eine Frau, für die er an Gewicht abnahm, für die er seinen Körper im Fitnessstudio stählte, für die er sich schicke neue Kleidung kaufte und ein teures Aftershave. Das war nicht der James, den sie kannte. Den hatte sie vor langer Zeit verloren.
Und ihre Ehe gleich mit.
2. KAPITEL
„Hey, sieh dich an!“
Die Krankenschwester am Empfang begrüßte ihn weitaus herzlicher als Ava, als er nach drei Monaten Abwesenheit die Onkologie wieder betrat.
„Wo bist du gewesen?“, fragte Carla, die diensthabende Stationsschwester.
„In Brisbane.“
„Wow.“ Harriet tätschelte bewundernd seinen muskulösen Bauch, während sie an ihm vorbeiging. James fiel ein, dass Harriet ihm ein bisschen zu nahe gerückt war, bevor er nach Brisbane ging.
„Ava hat einen völlig neuen Mann bekommen“, sagte Carla und zwinkerte ihm zu. „Ich wette, sie ist überglücklich, dass du wieder da bist.“
„Das ist sie.“ Er sah, wie Harriet das Blut in die Wangen schoss, als er die Dinge deutlich klarstellte. „Geht mir genauso – ich war gerade bei ihr.“
In der nächsten Stunde arbeitete sich James durch Krankenakten und studierte Laborergebnisse. Ja, es tat gut, wieder hier zu sein – wenigstens auf der Station. Er versuchte, nicht an Avas lauwarmen oder vielmehr tiefgekühlten Empfang zu denken. Aber verdammt, er hatte gedacht, dass sie ihn vielleicht vom Flughafen abholen würde. Deshalb hatte er ihr die genauen Flugdaten gemailt. Und als sie nicht da war, fuhr er zu Hause vorbei in der vagen Hoffnung, sie könnte sich den Vormittag frei genommen haben, um ihn willkommen zu heißen. Doch sie war bei der Arbeit. Natürlich.
„Heute Morgen haben wir einen neuen Patienten bekommen.“ Carla reichte ihm die Akte. „Richard Edwards. Vergangenen Freitag sollte er seine erste Chemo haben, hat den Termin jedoch abgesagt. Ich dachte, du könntest mal mit ihm reden. Er macht sich große Sorgen, und es würde mich nicht wundern, wenn er sich immer noch weigert.“
„Okay.“ James sah sich die Unterlagen mit den akribischen Notizen seines Kollegen Blake an. Richard war neunzehn. Erst vor Kurzem hatte man bei ihm Prostatakrebs diagnostiziert, im ersten Stadium und mit hoffnungsvollen Werten. Nach einem ausführlichen Gespräch mit Blake war Richard bereit gewesen, sich auf eine Chemotherapie einzulassen. Anscheinend hatte er es sich anders überlegt.
„Wo ist er?“
„Im Aufenthaltsraum. Soll ich ihn in dein Sprechzimmer bringen?“
„Lass nur, ich gehe selbst.“
James machte sich auf den Weg zu dem Zimmer, das Patienten und ihren Angehörigen vorbehalten war. Dort traf er auf Richard und seine besorgten Eltern. „Ich möchte mich mit Richard unterhalten“, sagte er, nachdem er sich vorgestellt hatte.
„Gut, wir kommen mit“, antworteten die Eltern wie aus einem Mund.
James schüttelte den Kopf. „Wir sprechen nachher miteinander, zuerst würde ich gern mit Richard allein reden.“
„Aber es wird ihn sehr mitnehmen …“
„Das ist schon möglich“, meinte James beruhigend. „Deswegen gehen wir ja alles in Ruhe durch – auch mit Ihnen nachher.“
„Danke“, sagte Richard, als er im Sprechzimmer Platz nahm. „Meine Eltern sind großartig, aber …“ Er verstummte und suchte nach Worten.
„Sie stecken nicht in Ihrer Haut?“
„Genau. Sie verstehen nicht, warum ich keine Chemo will, wenn ich doch damit verhindern kann, dass die Krankheit zurückkommt. Dr. Blake hat mir zu der Therapie geraten, aber er sprach auch von Alternativen. Warten und beobachten, sagte er.“ Richard zögerte. „Ich habe gerade eine neue Stelle und eine neue Freundin, die wirklich super und verständnisvoll ist, aber ich kann mir nicht vorstellen … Also, ich achte auf meine Gesundheit, ich bin Vegetarier, und ich habe mich schon informiert …“
„Wir nennen es Beobachten und Abwarten, eine besondere
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