Aetherhertz
kämpfen!“
* * *
Man hatte ihr etwas Scheußliches zu trinken gegeben – wahrscheinlich Laudanum. Danach hatte sie lange geschlafen und wurde jetzt nur langsam wach. Dieser Geruch – sauber und dennoch abgestanden, voller alter Vorkommnisse und unruhiger Geister.
Das Nachthemd war steif und kratzig, sie trug keine Unterwäsche, keine Handschuhe. Die Geräusche waren verschwommen und verzerrt. Die Tür zu ihrem Raum war geschlossen und schützte sie. Ihre linke Hand sendete ihr die merkwürdigsten Empfindungen. Sie würgte von all den zersplitterten Resten menschlicher Verzweiflung, die sie spüren konnte.
Sie lag einfach nur da, atmete flach und versuchte sich zu beruhigen. Paul würde kommen – nein, vielleicht nicht, nach dem, was seiner Mutter passiert war. Oh Gott, sie schämte sich so. Nicht weinen ... Onkel Karl würde kommen, der hatte sie nie im Stich gelassen, Frau Barbara, warum waren sie noch nicht da?
Die Tür öffnete sich: Eine Frau kam herein, die ein paar Kleidungsstücke bei sich trug. Hinter ihr kam eine Nonne mit einer Waschschüssel. Sie wurde gewaschen, es waren noch Reste von braunem getrockneten Blut an ihren Fingernägeln. Die Frauen waren gründlich, sprachen aber nicht mit ihr. Eine Wache stand vor der Tür. Annabelle biss die Zähne zusammen und ließ alles mit sich geschehen.
Nachdem sie sie angezogen hatten, ein weißes steifes Kleid mit Schürze und Wollstrumpfhosen, und ihr einen Zopf geflochten hatten, führten die Frauen sie aus dem Raum. Die Wache übernahm und fasste sie am Arm. Sie gingen durch lange Gänge, und Annabelle versuchte, sich der Führung zu überlassen, aber sie hatte solche Angst! Ihre Zähne klapperten und sie fühlte sich ganz weich in den Knien. Wenn sie stolperte, dann wurde der Griff an ihrem Arm wie ein Schraubstock und sie wusste, dass sie einen blauen Fleck behalten würde.
Als sie vor einer grünen Tür anhielten, wurde Annabelle übel vor Angst und sie biss sich auf die Lippe, um nicht aufzuschreien. Sie schluchzte erleichtert, als die Tür sich in einen schmucklosen Raum mit einem Schreibtisch öffnete. Sie hatte den Raum mit der Wanne erwartet. Der Wachmann setzte sie auf den Stuhl. Dann postierte er sich wieder vor der Tür. Sie wartete und atmete schließlich wieder langsamer. Ihr Bauch war ganz leer, aber sie wollte nichts essen. Es war nur das gleiche Gefühl wie in ihrem Kopf. Der Effekt des Laudanums war jetzt nicht mehr zu spüren. Die Stille machte ihr zu schaffen. Der steife Stoff des Kleides juckte, aber wenn sie kratzte, dann brannte ihre Haut nur noch schlimmer.
Die Gedanken fingen an zu fließen: Was würde mit ihr geschehen? Was war gestern Nacht geschehen? Lebte der Mann oder war er doch gestorben? Wo war Oberon? Und was war mit Paul? Bei keiner der Fragen wollte sie bleiben, sie suchte aber vergeblich nach Trost. Stattdessen fand sie Wut: Welches Recht hatten sie, sie wieder hier festzuhalten? Sie hatte nichts Falsches getan! Sie hatte den Mann geheilt, zumindest hoffte sie das. Sie war bewusstlos geworden. Kurz vorher hatte sie sich sehr seltsam gefühlt, daran konnte sie sich noch erinnern – ihr ganzer Körper war heiß und kalt geworden, so wie sich ihre Hand manchmal anfühlte. Dann war es zu viel geworden, aber sie hatte ihre Hand nicht lösen können und war einfach weggeflogen ...
Die Türe öffnete sich hinter ihr. Annabelle erschrak und sah sich um: Der Atem stockte ihr im Hals, als sie die schwarze Maske eines Berichtigers erblickte.
So viele Fragen! Ihr war ganz schwindelig. Wie lange saß sie schon hier? Sie hatte immer wieder versucht, dem Mann zu erklären, dass sie nicht gefährlich war, und nichts mit dem verletzten Mann zu tun hatte, dass sie nur hatte helfen wollen, aber es war unmöglich gewesen. Er hatte immer wieder von ihr verlangt, eine Verfehlung einzugestehen. Er stellte sie und ihre grüne Hand als etwas Gefährliches dar, und brachte Annabelle dazu, dass sie sich schmutzig und elend fühlte.
Nachdem sie wieder geweint hatte, wurde der Mann plötzlich ganz freundlich und erklärte ihr die Regeln der Gesellschaft, wie man einem kleinen Kind die Regeln des Hüpfkästchens erklärte. Annabelle war auf eine seltsame Art dankbar gewesen, bis sie erkannt hatte, dass er ihr klarmachte, dass sie nicht dazugehörte, zu dieser Gesellschaft, und das sie das verstehen und akzeptieren sollte.
Sie konnte das aber nicht verstehen, und noch weniger akzeptieren, und der Mann war schließlich wütend
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