AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
berichten. Und die „Regierung Seiner Majestät“ spitzt den Konflikt zu. Mit einem offiziellen Beschluss werden die Pläne Edwards für eine „morganatische“ Ehe abgelehnt. Stanley Baldwin geht persönlich zum König und stellt ihm ein Ultimatum: Verzicht auf die Heirat oder Abdankung.
Für Wallis Simpson wird der Druck zu groß. Eine Liebschaft, die zur Affäre wurde, ist jetzt eine „Verfassungskrise“. Die jahrhundertealte Monarchie des britischen Empires scheint ernsthaft in Gefahr. Wallis will weg. Sie bittet Edward, sie ins Ausland reisen zu lassen. Es wird eine Flucht. Das Ziel ist die französische Riviera: Cannes. Dort besitzt die befreundete amerikanische Familie Katherine und Herman Rogers eine Villa in den Bergen. Lou Viei ist ein umgebautes Kloster aus dem 12. Jahrhundert. Der Abschied zwischen Wallis und Edward entspricht melodramatischen Filmklischees. Susan Williams beschreibt die Szene in ihrer Biografie „The Peoples King“ so: „Baron Brownlow, der Wallis für die Reise abholen sollte, erlebte den König ziemlich pathetisch, müde, überreizt und er fürchtete die Abreise von Wallis wie ein kleiner Bub, der erstmals im Internat allein zurückgelassen wird.“ Wallis Simpson zitierte in ihrer Biografie „The Heart Has Its Reasons“ die Abschiedsworte des Königs: „Du musst auf mich warten, wie lange unsere Trennung auch dauert. Ich werde Dich niemals aufgeben.“
In der großen Tragödie steckt auch eine kleine. Wallis muss ihren Cairn-Terrier „Slipper“ zurücklassen. Der strubbelige Hund erweist sich allerdings als wahrer Seelentröster für den überforderten König. Edward in seinen Memoiren: „Ich war dankbar für seine Gesellschaft. Er folgte mir auf Schritt und Tritt im The Fort Belvedere. Er schlief neben meinem Bett und war der stumme Zeuge meiner Gespräche mit dem Premierminister.“
Während die Geliebte – ohne Terrier – buchstäblich in einer Nacht- und Nebel-Aktion und unter falschem Namen von Newhaven nach Frankreich übersetzt, starten Freunde des Königs einen weiteren Versuch. Edward soll überredet werden, auf die Ehe mit Mrs. Simpson zu verzichten und die Krone zu retten.
Vor ihrer Abreise hatte Wallis ihren Edward gedrängt, sich direkt an das britische Volk zu wenden und in einer Radioansprache seine Gefühle und Beweggründe zu erklären. Die Amerikanerin hoffte dadurch, die öffentliche Stimmung gegen den Premierminister und den Klerus mobilisieren zu können. Rundfunkansprachen waren überaus beliebt und das moderne Mittel der Kommunikation. Edwards Vater König George V. hatte die Herzen seiner Untertanen durch die berühmten „Weihnachtsansprachen“ erreicht. Und Edward hatte Erfahrung mit dem Medium. Schon als Prince of Wales sprach er 75 Mal über die Sender der BBC. Deren Generaldirektor Sir John Reith unterstützte das königliche Vorhaben, ebenso wie Winston Churchill, der damals schon einflussreich, aber erst in drei Jahren Regierungschef werden sollte.
Edward begibt sich in den Buckingham Palace und teilt dort dem Premierminister mit, er beabsichtige, sich via BBC an sein Volk zu wenden. Baldwin belehrt den König, dass er ohne Zustimmung des Kabinetts keine öffentlichen Erklärungen abgeben dürfe. Jedes Wort, jeder Satz müsse per Regierungsbeschluss sanktioniert sein. Winston Churchill bereitet in der Zwischenzeit den Text der Ansprache vor. Eine Kopie wird Baldwin übergeben und per Telegramm auch an alle sich selbst verwaltenden britischen Kolonien geschickt. Im Redeentwurf spricht der König: „Ich kann die schweren Lasten, die auf mir als König lasten, nicht mehr weitertragen, ohne in dieser Aufgabe durch ein glückliches Eheleben gestärkt zu werden. Daher bin ich fest entschlossen, die Frau zu heiraten, die ich liebe, wenn sie frei ist, mich zu heiraten.“
Kein Wort über seine Abdankung. Kein Wort über einen Verzicht auf die Eheschließung. Baldwin antwortet dem König am nächsten Tag. Die Regierung schleudert dem Souverän ein Wort hin: „Nein!“
Der König empfängt eine verschlüsselte Nachricht aus Frankreich. Wallis Simpson will auf eine Trauung verzichten. Die Reisegruppe auf ihrem Weg nach Cannes wird mittlerweile von hunderten Reportern, wie auf einer Fuchsjagd, gehetzt. Um die Journalisten abzuhängen, verlässt Simpson mit ihren drei Begleitern schon um drei Uhr früh ihr Hotel in Blois Richtung Cannes. Endlich erreicht der Wagen das feudale Anwesen Lou Viei in den Bergen. Wallis Simpson kann sich
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