AFFÄREN, DIE DIE WELT BEWEGTEN
Barbara diesen Vorstellungen entsprochen hat oder nicht, sie war vor allem eines: jung. Und sie ist keine „Dirne“, die von adeligen Zusammenkünften wie etwa einem Reichstag in der Hoffnung auf bare Münze angezogen wurden wie Motten vom Licht. Die Regensburgerin ist 19, höchstens 20 Jahre alt, der Kaiser Mitte 40. Ein Altersunterschied von 26 Jahren retuschiert im Auge des männlichen Betrachters vermutlich so manchen Schönheitsfehler. Mit Sicherheit aber war die junge Barbara hübscher als ihr kaiserlicher Geliebter. Das Aussehen Karls V. ist durch zahlreiche Gemälde überliefert. Wie bei vielen Habsburgern war sein Gesicht von einem ausladenden Unterkiefer dominiert. Er hatte eine leicht schiefe Adlernase und einen kurzen, struppigen Bart. Ein Biograf attestiert Karl V. einen „halb geöffneten Mund als lebenslangen physischen Mangel“. Falls Barbara ihren Kaiser geliebt haben sollte, dann vermutlich nicht wegen seiner Schönheit.
Karl V. litt an vielerlei Krankheiten: Verdauungsbeschwerden wegen übermäßiger Völlerei, Gicht, Asthma und Hämorrhoiden. Vor seinem Regensburger Aufenthalt absolviert er eine Kur gegen die Gicht und fühlt sich verjüngt. Der Kaiser entzieht sich „keineswegs dem ungebundenen Treiben“ während der Reichstage, wie es ein Karmelitermönch – von moralischer Empörung geschüttelt – schildert: „Das Leben dort, geführt mit Spielen, Schwelgen, Unzucht und allen gräulichen Lastern, spottet jeder Beschreibung.“
Welche Beweggründe hatte die junge Frau, sich Karl V. „hinzugeben“? War es Liebe, Gehorsam gegenüber dem kaiserlichen Gebieter oder Kalkül? Welche Möglichkeit hatte sie, es nicht zu tun? Der Schriftsteller Carl Zuckmayer unterstellt in seinem Stück „Barbara Blomberg“ seiner Hauptfigur durchaus Berechnung: „Du warst ein kluges Kind damals. Du bist dem Kaiser ins Bett gesprungen wie ein rossiges Gäulchen und hast ihn den Hengst spielen lassen, bis er selbst daran glaubte, dass er wieder ein Kerl sei und seinen Feinden vors Kinn stoßen könne. Das war ein Staatsgeschäft und du hast deinen Spaß dran gehabt, obwohl man dirs angeschafft hatte, obwohl er alt war und grantig.“
Was immer Barbaras Motive gewesen sein mögen, die Folgen der kaiserlichen Liebschaft haben ihr Leben verändert. Ein Sohn kommt zur Welt: Hieronymus, der als Don Juan de Austria in die Geschichte eingehen wird. Die junge Barbara ist nicht nur ein „gefallenes Mädchen“, sie ist jetzt – noch schlimmer – ledige Mutter. Der Kaiser zeigt, nachdem er Regensburg verlassen hat, kein weiteres Interesse an ihr. Die junge Frau ist für das kaiserliche Abenteuer kein unbeträchtliches Risiko eingegangen: Im 16. Jahrhundert sind Sitten und Gesetze streng. Die „Peinliche Halsgerichtsordnung“, 1532 von Karl V. erlassen, sieht für das Verbrechen des Ehebruches die Todesstrafe vor. Als geringerer Verstoß gelten Affären zwischen Unverheirateten. Eine Schwangerschaft aber kann der unglücklichen Frau den Tod bringen. Ihr droht die wahnwitzige Strafe des Ertränkens, der Verursacher hingegen muss nur mit einem Landesverweis rechnen. Um einer strengen Bestrafung zu entgehen, sollen die Frauen eine uneheliche Schwangerschaft sofort dem Pfarrer beichten. Dies dient weniger dem Seelenheil der Frau als vor allem der Suche nach dem Alimentationspflichtigen. Eine solche Prozedur bleibt Barbara Blomberg erspart: Der Kaiser hält seine Vaterschaft zwar geheim, aber er leugnet sie nicht. Der „natürliche Sohn“ wird am 47. Geburtstag des Regenten geboren. „… für Karl, der in diesen Monaten gänzlich ergraut war, der sich siech fühlte und voller Bitterkeit, mag es eine kleine Aufhellung bedeutet haben“, mutmaßt ein Biograf.
Falls die Geburt den Kaiser in eine positive Stimmung versetzt haben sollte, so vermutlich nicht aus emotionalen, sondern aus machtpolitischen Gründen. Nichtehelicher Nachwuchs wird in den europäischen Herrscherhäusern der Renaissancezeit durchaus geschätzt. „Es geschah geradezu im Interesse des in der Dynastie ruhenden Staates, dass die Fürsten, wenn möglich, eine Gruppe von männlichen Bastarden um sich sammelten, galten diese ihnen doch als die sichersten und verlässlichsten Werkzeuge ihrer Politik nach innen wie nach außen“, schreibt Paul Herre in seiner Blomberg-Biografie. „Bastard“ ist zur damaligen Zeit kein Schimpfwort, eher ein „Ehrentitel, der nicht weitervererbt werden konnte“. „Natürliche Kinder“ waren hoch angesehen,
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