Afrika Quer (German Edition)
Strecke, sondern er kam sogar aus der Region. Das waren gute Nachrichten.
So hielten wir gelöst und zuversichtlich – das galt zumindest für mich - an einem kleinen Laden am Ortsausgang von Bosasso und kauften noch etwas Proviant. Nach Limonade und Keksen wurde Abdullahi auch noch eine Kalaschnikow durchs Fenster gereicht.
Nanu! Kriegt man die denn auch an dem Kiosk?
Nein, sagte Abdullahi. Es war seine eigene. Er wohnte in der Nähe und hatte das Gewehr nur dort deponiert. Und weil er mein besorgtes Gesicht sah, fügte er noch hinzu, ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Das Gewehr habe er nur wegen des Autos dabei. Auf dem Weg zum Kap Hafun hätten wir nichts zu befürchten.
Am Anfang kam ich mir auf der Fahrt im Auto ein bisschen vor wie beim internationalen Jugendaustausch. Im Rückblick verklärt sich ja vieles. Aber die Reisen zu den Partnerstädten meiner Heimatstadt in Frankreich und Schottland erscheinen mir heute wie die schönste Zeit meines Lebens. Der Himmel war blauer, das Essen war besser und die Mädchen hübscher.
Alles war ein kleines bisschen anders, aber doch auch wieder altbekannt. Im Grunde drehten sich alle Gespräche mit unseren Gastgebern nur um eines: So ist es bei uns, und – Aha! – so bei euch.
Das war gleichzeitig versichernd und doch auch angenehm verstörend. Richtiger kultureller Austausch eben, ein Geben und Nehmen, von dem beide Seiten nur profitieren konnten, weil unsere Gastgeber uns ja im nächsten Jahr besuchen und alles mit eigenen Augen sehen würden.
Die Themen nun bei uns im Auto waren dieselben. Wo wohnten meine Eltern? Was waren sie von Beruf? Hatte ich Brüder, Schwestern? Was dachte ich über dieses und jenes? Und vorbei an einer Mondlandschaft aus nackten Felsen und sandigen Ebenen, in die der somalische Wind bunte Plastiktüten verteilt hatte, redeten wir über die somalische Musik, die Abdullahi in unseren Kassettenrekorder eingelegt hatte. Und Nuredin erzählte von seiner Arbeit in Kakuma, einem Flüchtlingslager im hohen Norden Kenias. Wir teilten uns Halwa, eine fürchterlich klebrige, aus Datteln gekochte Süßigkeit, und obwohl er sich merklich schwer tat und Nuredin sich darüber lustig machte, bemühte sich Abdullahi sogar Englisch zu sprechen.
Wir lachten, und ich dachte, wie wenig ich doch über Somalis wusste, und dass ich Unrecht gehabt hatte, zu glauben, zwischen ihnen und mir wäre keine Verständigung, kein Austausch möglich.
Sicher, Abdullahis Fahrstil war unorthodox. Nie saß er nur einfach ruhig am Steuer. Ständig fingerte er an der Lüftung, am Fenster, nach einem Bonbon, einem Taschentuch oder einer Zigarette.
Er hasste es, geradeaus zu fahren. Er lenkte, schlenkerte und driftete, selbst wenn die Wüste flach und weiträumiger als eine Flugpiste vor uns ausgelegt war.
Auf der Teerstraße blinkte er, wenn die Straße eine Kurve machte. Hatte er die Kurve hinter sich, schaltete er den Blinker wieder aus. In der Stadt hatte er nie geblinkt, auch wenn er abbog.
Auf dem Rückweg, als die Stimmung zwischen uns allerdings schon bedeutend schlechter war, fragte ich Abdullahi, warum er auf der Landstraße blinkte. Nuredin musste meine Frage, die ich aus purer Neugier gestellt hatte, mit Ärger angereichert haben. Denn Abdullahi antwortete, er könne es auch lassen, wenn es mich störte. Es störte mich nicht. Nur weiß ich nun bis heute nicht, warum er blinkte, ohne jemals abzubiegen.
Abdullahi konnte auch nur ganz langsam fahren, dass es einem auf die Nerven ging, oder nur ganz schnell, so dass man um sein Leben bangte. In Bosasso hupte er und trat noch aufs Gaspedal, wenn Leute vor uns über die Straße gingen. Aber auf den ersten fünfzig Kilometern Teerstraße fuhr er nur 50 Stundenkilometer. Über die Wüstenpisten wiederum flog er mit 100 Sachen dahin, auch wenn man nicht sehen konnte, wie es nach der nächsten Bodenwelle weiterging.
In der Wüste bestand die Piste fast immer aus zwei, manchmal sogar drei oder vier alternativen Fahrspuren. Sie verzweigten sich, liefen nebeneinander her, ließen Sträucher und Büsche zwischen sich und trafen und kreuzten sich wieder - ohne erkennbaren Grund.
Das kannte ich schon aus dem Süden Somalias und habe es später auf dem Weg von Hargeisa nach Dschibuti wieder getroffen. Sicher, wenn sich eine Pfütze oder ein tiefes Schlagloch auf der Piste gebildet hatte, gab es auch in anderen afrikanischen Ländern eine Ausweichspur. Aber ständig nebeneinanderher laufende Fahrrinnen gab es nicht.
Weitere Kostenlose Bücher