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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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und ich hatten schon seit einer Weile gedrängt, das letzte Stück nach Hurdiye zu Fuß zu laufen.
    Die Abfahrt nach Handa, einem kleinen Ort nördlich von Hurdiye, hatten wir schon lange passiert, und so konnten es nach meiner Karte dorthin nicht mehr als zehn Kilometer sein.
    Abdullahi wollte das Auto nicht allein lassen. Er hatte Angst, es wird gestohlen. Erst nachdem wir eine ganze Weile auf ihn eingeredet hatten und ein Stück vorangegangen waren, kam er uns nach.
    Er lief die ganze Zeit neben der Piste und wollte immer, dass wir nach rechts in die Wüste abbiegen. Er war sicher, dass dort Hurdiye liegt. Aber wir hatten kein Vertrauen mehr zu ihm und seinem Orientierungssinn.
    Als er einfach weiterlief und uns an der Piste zurückließ, platzte mir wieder der Kragen. Ich schrie ihn an. Und wie bei dem Streit, weil er Khat gekaut hatte, zuckte er erneut zurück und lief wieder, zumindest für ein paar Minuten, hinter uns her. Aber wegen jeder Frage, auch solchen, die man eigentlich nur mit Ja oder Nein beantworten konnte, musste man sich nun mit ihm herumstreiten.
    Abdullahi trug als einziges Gepäck das Gewehr über der Schulter. Ich hatte etwas Trinkwasser in einer Plastikflasche, eine Tasche mit meinem kleinen Computer und die Mülltüte mit dem Geld dabei. Alles Sachen, die ich nicht im Auto hatte zurücklassen wollen. Aber nun waren sie nutzlos und schwer.
    Als es schon nach Mitternacht und klar war, dass wir Hurdiye nicht so schnell erreichen würden, diskutierten wir wieder hitzig, was wir machen sollten. Abdullahi hatte uns soweit, dass wir mit ihm ein paar hundert Meter in die Wüste gingen. Er war sich absolut sicher, dass wir auf dem richtigen Weg waren. War da nicht sogar ein Haus oder ein Zelt? Doch als wir näher kamen, war es nur eine vom Mond hell angestrahlte Düne.
    Abdullahi bestand immer noch darauf, dass wir weitergingen. Doch ich wollte auf der Piste bleiben. Nachdem wir die Teerstraße verlassen hatten, war uns zwar den ganzen Tag kein Auto begegnet. Trotzdem war es viel wahrscheinlicher, dass uns jemand an der Piste fand als in der Wüste. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nur einen Gedanken im Kopf: Wehe, wenn morgen früh wieder die Sonne aufgeht! Dann gibt es weit und breit nichts, wo wir Schatten finden können. Das einzige, was ich sah, waren kniehohe, holzige Latschen. Und selbst wenn wir uns unter die gezwängt hätten, viel Kühlung hätten wir uns davon nicht erhoffen können.
    Lang gingen wir still vor uns hin. Lang genug, um uns auszumalen, was passiert, wenn uns niemand findet. Lang genug, um langsam die Panik in jeden Winkel des Körpers einsickern zu lassen. Ich hatte das bestimmte Gefühl, wir dürfen jetzt nichts Unüberlegtes tun, wir dürfen jetzt keinen Fehler machen, wenn er nicht unser letzter sein soll.
    Ich zwang mich, ruhig nachzudenken, aber meine Gedanken kehrten nur immer wieder zu dem einen Gedanken zurück: An die gleißende Sonne, die hier alles und jeden verbrennen wird, wenn es erst wieder hell geworden ist. Und wo blieb das vermaledeite Hurdiye?
    Ein Zentimeter auf meiner Michelin-Karte entspricht 40 Kilometern in der Wirklichkeit. Trotzdem ist sie für Afrika Standard. Viel mehr Karten, auf denen mehrere Länder oder gar eine ganze Region verzeichnet sind, gibt es nicht.
    Erst, nachdem ich wieder in Deutschland war, habe ich darauf eine kleine Warnung entdeckt. In der rechten unteren Ecke steht dort kleingedruckt: „WICHTIG. Die Information für einige Länder auf dieser Karte konnten wir nicht mit der üblichen Präzision auf den jüngsten Stand bringen.“
    Damit dürfte Somalia gemeint sein. Denn auch die gesamte Piste, die auf der Karte zwischen Hargeisa und Dschibuti eingezeichnet ist, war nicht auch nur annähernd in der Nähe von der, die wir später gefahren sind.
    Vielleicht hatten wir auch den Abzweig nach Handa noch nicht passiert, und Abdullahi hatte uns nur beruhigen wollen. Oder es gab mehrere Abzweige nach Handa. Auf jeden Fall waren wir mehr als zwei Stunden in strammem Tempo gelaufen, also bestimmt zehn Kilometer, aber die Lichter von Hurdiye waren nirgends zu sehen.
    Nachdem wir wieder zur Piste zurückgekehrt waren, fand Abdullahi zwei mit Wasser gefüllte Kanister unter einer Latsche neben der Straße. Es schmeckte salzig und fürchterlich faulig.
    „Da seht ihr, hier gibt es Leute. Wir müssen hier abbiegen.“ Abdullahi versuchte wieder, uns in die Wüste zu locken.
    Aber ich entschied, dass wir bei den Kanistern übernachten. Morgen wird

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