Afrika Quer (German Edition)
wurde.
Abdullahi hatte unmittelbar nach dem Ortsausgang von Bosasso schon mit dem Khatkauen begonnen. Während unserer ersten Rast zupfte er die Blätter von den Stengeln, tat sie in eine Plastiktüte und hängte sie über den Blinker, so dass er sich ständig daraus bedienen konnte. Nun war seine Backe mit zerkauten und ausgelutschten Blättern prall gefüllt, und er offensichtlich betäubt. Schon zuvor hatte er sich mehr gerühmt dafür als entschuldigt, dass er die Nacht zuvor nicht geschlafen hatte.
Was sollten wir machen? Es würde sicher Stunden dauern, bis er wieder nüchtern war. Aber vor allem ärgerte mich, dass er so eine schwierige Strecke auf die leichte Schulter genommen hatte. Das war genug.
Ich sagte ihm deutlich, er solle jetzt endlich mit dem Khatkauen aufhören. Und dass er dafür bezahlt wird, uns nach Hafun zu bringen. Er hielt an, pulte gelassen mit dem Zeigefinger den grünen Brei aus der Backe und verschwand hinter ein paar Sträuchern, um sich zu erleichtern.
Nach ein paar Minuten tauchte er mit einer Frau und einem kleinen Kind im Schlepptau wieder auf. Wo er die zwei in dieser Wildnis, in der es vorher keinerlei Anzeichen von Menschen gegeben hatte, gefunden hat, war mir damals unerklärlich und ist es noch.
Die Frau habe ihm gesagt, erklärte er dann leise und mit verschwörerischer Miene, der beabsichtigte Weg sei wegen eines Erdrutsches versperrt. Wir müssten deshalb erst wieder ein Stück zurückfahren und einen anderen Weg nehmen.
Das konnte stimmen oder auch nicht. Überhaupt war bis dahin ja ungewiss, ob wir richtig gefahren waren. Denn seitdem wir die geteerte Straße verlassen hatten, waren wir durch keinen in der Karte eingezeichneten Ort gekommen.
Zumindest fuhr Abdullahi jetzt wieder besser und sagte, er wisse es wirklich zu schätzen, wenn ihn jemand auf seine Fehler aufmerksam macht. So als sei es schwer draufzukommen, dass man während einer langen Fahrt nicht Khat kauen sollte.
Allerdings bin ich in ganz Somalia später nur mit einem einzigen Fahrer im Auto gesessen, der nicht am Steuer kaute. Und Abdullahi schien es ernst zu meinen. Denn er sagte dasselbe später, obwohl es ihm schwergefallen sein muss, noch einmal.
Kurz vor der Dämmerung erreichten wir Gergore, eine Ansammlung von ein paar ärmlichen Hütten an der Piste. Wie die Behausungen in den Vertriebenenlagern waren sie aus Ästen und Plastikplanen gebaut.
Dennoch war das Dörfchen sehr wichtig für uns. Denn auf meiner Karte ist es der letzte Ort vor Hurdiye. Und durch Hurdiye mussten wir, wenn wir auf die Landzunge von Hafun fahren wollten. Abdullahi hatte seinen eigenen und nicht den auf der Karte eingezeichneten Weg genommen. Er hatte sich tatsächlich ohne Karte und Wegweiser zurecht gefunden.
Nuredin und ich waren froh. Denn nach dem Streit mit dem Khat hatten wir begonnen, Abdullahi zu misstrauen. Der bekam nun wieder mächtig Oberwasser und brüstete sich: „Mein Bruder, in zehn Minuten wirst du in Hurdiye sein.“
Allerdings war das kräftig übertrieben, denn selbst auf einer Autobahn hätten wir das kaum geschafft. Und es kam noch besser. Dreißig, vierzig Kilometer hinter Gergore steckten wir auf einmal fest.
Viele Reifen hatten sich auf dieser Piste schon in den Sand gegraben. Sie war hier so breit wie ein Feldweg, und in der Mitte stand deshalb ein hoher Kamm heraus. Abdullahi fuhr nicht, wie jeder professionelle Fahrer es getan hätte, auf dem Kamm und dem Rand sondern in den Spuren. Und dort stand der Sand wadentief.
Wir kamen noch einmal rückwärts heraus, gruben uns dann jedoch beim zweiten Versuch mit Schwung noch tiefer ein. Und, wie wir nach ein paar Versuchen feststellten, wurden nur unsere Hinterreifen angetrieben, egal wie wir den Allrad-Schalthebel auch einstellten. Mohamoud Askar hatte uns mit einem Geländewagen in die Wüste geschickt, dessen Allradantrieb nicht funktionierte!
Abdullahi wollte davon nichts gewusst haben. Er hatte auch keine Schaufel dabei. Aus einem Kanister schnitten wir eine Art Kehrblech zurecht, versuchten große Steine, Äste, die Fußmatten unterzulegen, damit die Reifen besser Griff fänden, und luden gegen Abdullahis Widerstand das schwere Fass Diesel ab. Alles vergebens.
Abdullahi wurde immer kleinlauter und hilfloser. Irgendwann musste ich mich selbst ans Steuer setzen, um zu versuchen, das Auto aus dem Sand zu fahren.
Nach zwei Stunden gaben wir auf. Die Sonne war längst untergegangen. Aber wir hatten Glück. Es war Vollmond. Und Nuredin
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