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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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entdecken, nicht mit meinen edlen Gefühlen.
    Afrika fehlt mir, weil es mir gezeigt hat, dass ich noch lebendig bin, dass mein Leben noch nicht vorbei ist, dass ich mich freuen kann an einfachen Dingen und dass ich keinen Airbag brauche in meinem Auto, um mich sicher zu fühlen.
    Manchmal hatte ich fast den Eindruck - so erscheint es mir zumindest in der Erinnerung -, als ob mein Leben wirklich lebte. Zumindest kann ich genau beschreiben, was sich so anders anfühlte.
    Die Zeit schien in Afrika viel schneller zu vergehen, als ob jede einzelne Sekunde nur neun Zehntelsekunden lang gewesen wäre. Anders als in Deutschland wartete ich nicht mehr auf den Feierabend, auf den Samstagabend oder auf den Urlaub in Marokko oder Paris.
    Sondern die Fahrten zum Supermarkt waren das Spannende oder der Gang zum Kiosk. Immer konnte etwas passieren, hinter jeder Ecke lauerte eine Überraschung. Oft genug waren es die einfachen Dinge des Lebens, die mir Spaß machten, und nicht die nach der Arbeit.
    Aber woran lag das? Wie hat Afrika das geschafft? Ganz einfach: Meine Zeit dort hat mir eine neue Seite des Lebens aufgezeigt, die ich vorher nicht kannte.
    Es war das Staunen über das Fremde, das dieses neue Gefühl erzeugte, die Lust, Neues zu erfahren, die Neugier auf eine andere Welt, der Moment der Überraschung zur Permanenz erhoben. Also, genau das eben, was es in Deutschland nicht geben konnte, weil es mein Land, meine Welt war, die ich so gut kannte, wie ich sie manchmal lieber nicht gekannt hätte.
    Das Gefühl zum Beispiel, nur einen Satz von einer mir unbekannten Person zu hören und sie wegen Dialektfärbung, Wortwahl, Thema, Tonfall und Mimik schon so gut zu kennen, wie ich es eigentlich gar nicht wollte.
    Das fällt weg in der Fremde. Natürlich ging es den Kenianern untereinander genauso wie mir mit den Deutschen. Aber eben nicht mir mit den Kenianern. Genau das ist der Trick: Dort zu leben, wo du fremd bist, und über die einfachen Geister zu schmunzeln, die dort leben, wo sie hingehören.
    Aber es ist noch viel mehr: Die Befreiung von der letzten Dimension des Lebens, die es noch verdient, befreit zu werden, den letzten Ballast abzuwerfen, den einem das Dasein ganz natürlich auf den Rücken geschnallt hat. Wer zuhause ist, betrachtet die Welt immer aus dem Küchenfenster. So oder so. Ob er will oder nicht. Auf allen Erdteilen. Erst wer Distanz zum eigenen Beobachtungsposten gewonnen hat, kann sehen, wo er einmal stand. Deshalb ist es wichtig zu wechseln. Alles andere ist Biedermeier. Und wird es immer bleiben.
    Außerdem wurde ich süchtig nach diesem neuen Gefühl. Ohne es will ich nicht mehr sein. Dass ich dadurch für Deutschland verdorben bin, sehe ich eher als Privileg. Die langweilige Muffigkeit hier gab es schon immer. Ich wusste es nur nicht. Jetzt weiß ich es und kann mich davor in Sicherheit bringen.
    In Afrika hatte ich immer noch über die Leute gelacht, die mit einer kleinen Plastiktüte oder gar nichts in den Händen auf Reisen gingen. Aber nach vier Umzügen in einem guten Jahr ist mein Hausstand auf zwei große Koffer zusammengeschrumpft. Und bei allen Dingen, die ich besitze, habe ich mir dreimal überlegt, ob ich sie wirklich brauche – wie bei einem modernen Nomaden.
    In dem Bett sterben, in dem ich geboren wurde, werde ich also ganz sicher nicht. Aber so verliefen Biographien ohnehin nur im goldenen Zeitalter des Bürgertums, und das endete spätestens mit dem 1. Weltkrieg.
    Vielmehr ist es mir jetzt schon ein paar Mal passiert, dass ich nachts aufgewacht bin und eine Weile lang nicht wusste, wo ich bin – weder das Land, noch die Stadt, noch das Haus, noch das Zimmer. Das kann unangenehm sein. Doch das ist das Haar in der Suppe, ohne das man das Menü nicht bestellen kann.
    Und dass man als Expatriate den Daheimgebliebenen seltsam erscheint und oft genug wohl auch wirklich wird, muss man einfach in Kauf nehmen.
    Ich, auf jeden Fall, werde wieder gehen. Der erste Hund auf der Straße kann Ihnen das sagen.

 
     
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