Afrika Quer (German Edition)
Phase seines Lebens widmet sich Professor Lams stark autobiographischer Roman „Maats Triumph“. Er wurde erst im Jahr zuvor in einem senegalesischen Verlag veröffentlicht und erzählt die Geschichte des jungen Studenten Baraa Bah aus der afrikanischen Provinz, der nach Paris geht, um Ägyptologie zu studieren.
„Maats Triumph“ ist ein kurioses Buch. Barah Bah kommt in die wahrscheinlich meistbesuchte Stadt der Welt, aber er bemerkt es nicht, und das auffälligste an dem Paris des Buches ist, dass es nicht vorkommt. Es spielt in einer seltsam abstrakten, geschlossenen Welt, und die Universität des jungen Studenten könnte statt in der französischen Hauptstadt genauso gut auf dem Mars stehen.
Der Grund dafür ist, dass „Maats Triumph“ keine reale Welt beschreibt, sondern vielmehr eine Wort gewordene Zwangsvorstellung zu sein scheint. In dem Buch gibt es so wenig Unverwechselbares, so wenig Authentisches, wie in einem Traum. Im Traum sind solche Sachen nicht nötig, weil dem Träumenden seine Welt sowieso bekannt ist, und in dem Buch ist es auch so.
Das ist auch der Grund, dass der junge Student aus der senegalesischen Provinz in „Maats Triumph“ nicht die fremde Stadt kennen lernt, sondern die fremde Stadt seine tribalen Traditionen. In Paris hört Baraa Bah weiter seine traditionelle Koramusik – die Kora ist eine westafrikanische Laute – und isst weiter seine mit Salz, Muskat und saurer Milch etwas verfeinerte Mehlsuppe, wie sie auch mir in Westafrika oft vorgesetzt wurde.
Seine Kommilitonin, die unvoreingenommene Tochter seines rassistischen Doktorvaters, kommt ihn in seinem Wohnheim besuchen. „Welch schöne Musik!“, stellt sie fest, als sie eine Kassette mit Koraklängen hört. Sie ist ganz hin und weg, als sie die Mehlpampe probiert, die Baraa mit viel Brimborium zubereitet hat. Sie schlürft alles gierig in sich auf und muss unbedingt einen zweiten Teller haben.
Dann sieht sie ein Foto von drei Fulbe-Mädchen aus Baraas Dorf und denkt sich, „ihre eigenen vermaledeiten, glatten Haare könnten niemals solche komplizierten Aufbauten tragen, wie sie sich auf dem Kopf ihrer Rivalinnen fanden.“
Und sie würde so gerne das dunkle Zahnfleisch und die Lippen dieser schönen Mädchen haben, obwohl sie sich von Baraa aufklären lassen muss, „dass sie das Resultat einer sehr schmerzhaften Operation sind, die manchmal auch das Leben der Mädchen kostet“. Dennoch kommt Baraas Kommilitonin nach dem Besuch zu der Einsicht, dass „ihr Überlegenheitskomplex in Wirklichkeit ihrer Unwissenheit, der Nichtkenntnis des Anderen geschuldet war.“
Ausgerechnet in Paris wird nur deshalb die westafrikanische Mehlpampe nicht als kulinarische Spezialität geschätzt, weil sie die Franzosen (noch) nicht kennen! Und aus demselben Grund lassen die Eltern dort auch ihren Töchter nicht im Kindesalter das Zahnfleisch und die Lippen tätowieren und – was man auf dem Foto nicht sieht – sie auch nicht beschneiden!
In Äthiopien bearbeiten die Frauen ihre Haare mit dem Brenneisen, um sie kerzengerade zu ziehen, und in den anderen afrikanischen Ländern schweißen sich die Frauen Plastikhaare an, um den Eindruck von langen, glatten Haaren vorzutäuschen, aber im Paris von „Maats Triumph“ verwünscht die weiße Kommilitonin ihre „vermaledeiten, glatten Haare“. Wenn das nicht der afrikanische Minderwertigkeitskomplex umgekehrt und zu einer Allmachtsphantasie gewendet ist, dann weiß ich auch nicht.
Noch deutlicher wird das Zwanghafte an „Maats Triumph“ jedoch an dem Handlungsstrang von Baraas Promotion. Ich hatte das Buch vor unserem Interview gelesen. „Es beschreibt praktisch meinen Lebensweg“, sagte der Professor.
Sie haben das alles so erlebt, wie Sie es darin erzählen?, fragte ich ihn.
„Ja, oder ich habe es von meinen Kommilitonen gehört“, antwortete er ohne zu zögern.
Zuvor hatten wir schon von Lams Doktorvater an der Sorbonne gesprochen, dem bekannten Ägyptologen Jean Leclant. Hat es wirklich einen solchen Professor wie Bahs Doktorvater Hadès Mal an der Sorbonne gegeben, für den alle afrikanischen Studenten „Neger“ waren?, fragte ich Professor Lam deshalb. „Nein, wie ihn nicht“, sagte der Professor wieder wie selbstverständlich. Für ihn schien das kein Widerspruch.
In „Maats Triumph“ muss sich Baraa gegen eine Verschwörung seines Professors und Doktorvaters Hadès Mal – mal = Franz. schlecht, das Übel – und seiner finsteren Assistentin durchsetzen.
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