Agnetha Fältskog. Die Stimme von ABBA (Die ABBA-Tetralogy) (German Edition)

Musikgeschäft nicht vor. Cupol besteht darauf, dass Agnetha diese Termine wahrnimmt, um sich von Stadt zu Stadt eine eigene Fangemeinde für ihre Lieder zu erarbeiten, die ein bisschen von allem aufweisen und in keine Nische so recht passen wollen. Umso wichtiger ist es, dass sie persönliche Präsenz zeigt, die Menschen von sich überzeugt. Außerdem kann sie bei der Gelegenheit auch an ihrem Bühnenauftritt feilen. Die junge und verliebte Agnetha meistert diese Aufgabe noch eindrucksvoller als erwartet, denn sie glüht richtig vor Lebensfreude. Auf der Bühne kommt ihre Präsenz stark zur Geltung. Sie ist süße 18, Milch und Honig, körperlich zart und weich, und zugleich selbstbewusst und humorvoll. Und sie gibt auf der Bühne stimmlich alles, und kommt damit bei den Leuten sehr gut an. In Amerika würde man dazu sagen: A star is born. Und es stimmt. Agnetha hat Charisma, die Fähigkeit, andere Menschen für sich durch ihre bloße Präsenz einzunehmen.
    Und doch: Sie selbst fühlt sich noch nicht recht wohl in ihrer Rolle.
    Agnetha später: „Ich war so einer Karriere eigentlich nicht gewachsen. Ich schluckte Tabletten, und meine Knie zitterten jedes Mal, wenn ich auf der Bühne stand. Ich kam mir dumm vor, unfähig.“
    Sie lernt früh, diese Unsicherheit zu verbergen. Ihre Mutter Birgit, die später tablettenabhängig und depressiv werden wird, versorgt sie mit Benzodiazepinen, die auch bei Agnetha eher Schaden anrichten als nutzen und den Grundstein für ihre späteren Zusammenbrüche legen. Es ist der schöne Schein, den Agnetha schon als junge Frau übt. Anstatt sich ihren Ängsten zu stellen, übergeht sie sie. Immer lächeln, selbst wenn es im Inneren ganz anders aussieht. Niemand, der später die Videos von ABBA ansehen oder in ihre Konzerte gehen wird, wird dabei das Gefühl haben, dass es Agnetha Mühe bereitet, ihre fröhliche, dynamische Show abzuziehen. Aber es ist so, wie sie häufig beteuern wird, und das von Anfang an: Wo andere vom Zuspruch der Fans elektrisiert und aufgeladen werden, und ihn als Droge nutzen können, die sie von einem Auftritt zum anderen trägt, hat Agnetha das Gefühl, dem Anspruch der Fans nicht gewachsen zu sein, und sich lieber hinter anderen Interpreten zurückziehen zu wollen.
    Dem widerspricht ihr blendendes Aussehen. Alle wollen Agnetha sehen, spüren ihre Charisma, haben das Gefühl, in der Gegenwart eines Stars zu sein, wenn sie ihr gegenüber stehen. Agnetha macht die Menschen verliebt in sich. Unter den Fans der ersten Stunde ist dann auch ihr zukünftiger Ehemann.
     
     
Björn
     
    Die Liebe zwischen Agnetha und Björn Ulvaeus beginnt nicht auf gleicher Ebene, sondern ist die Beziehung eines Anbetenden zum Objekt seiner Begierde. Björn Ulvaeus war in der Schule in einem Geheimclub, der sich das Ziel setzte, wie ein mittelalterlicher Ritter Minne zu leben. Der Sinn der Minne war damals die hoffnungslose Liebe zu einem weiblichen Objekt, dem man jederzeit sein Leben geopfert hätte. Diese Prägung wird Björn nie ablegen und sie wird das Geheimnis von ABBA werden. Denn ein Großteil der Lieder der Gruppe sind Liebeshuldigungen von Björn für Agnetha. Ausdruck der Enttäuschung meistens, und zugleich Beleg einer Liebe, die durch alle Tiefen ans Licht führt. Es ist eine ungleiche Beziehung, die es verhindert, dass sich Björn und Agnetha auf einer emotionalen Ebene treffen und austauschen können. Das ist überraschend, denn Björn ist damals selbst schon ein Teeniestar, Sänger in einer populären Band, die vielleicht nicht in der gleichen Klasse spielt wie Agnetha, aber doch selbst eine große Fangemeinde hat. Björn ist außerdem fünf Jahre älter als Agnetha und weit erfahrener als sie. An der Oberfläche ist er im Jahr 1968 nur ein Bandmitglied der Hootenany Singers, einer Gruppe, die nach einem Musikstil benannt ist, den es längst nicht mehr gibt. Eigentlich aber ist Björn auch damals schon weit mehr. Er gilt bei seiner Plattenfirma Polar Music als Stellvertreter der Eigentümer und hat dort schon einige Platten mitproduziert. Er schreibt auch selbst Lieder, darunter auch welche mit Benny Andersson, dem Keyboarder der Hep Stars, einer weiteren sehr populären Pop-Gruppe dieser Zeit, die auch den Beinamen der „schwedischen Beatles“ trägt. Björn ist ein Mann, der sichtlich im Kommen ist, und arbeitet längst sehr konzentriert und fleißig an seiner Karriere. Björn liebt den neuen englischen Musikstil im Pop und blickt mit Verachtung auf die