Agnetha Fältskog. Die Stimme von ABBA (Die ABBA-Tetralogy) (German Edition)

Problem ist einfach die Tatsache, dass sich Frida aufgrund ihres Alters und ihrer Erfahrung im Pop-Geschäft einfach nicht vorstellen kann, zweite Geige neben Agnetha zu spielen. Sie findet es überhaupt schwer, die kleine Blonde ernst zu nehmen. Die beiden finden lange keine Gesprächsthemen miteinander. Schon weil das Interesse fehlt. Erst mit Agnethas erster Schwangerschaft werden sie diese gemeinsame Ebene zeitweilig finden können. Außerdem hat Frida das Gefühl, dass sie sich alles im Leben erkämpfen musste, während Agnetha immer alles auf dem Präsentierteller serviert bekommt. Frida kann das akzeptieren. Aber das heißt noch nicht, dass sie Agnetha auch mögen muss. Frida ist emanzipiert, politisch interessiert und engagiert. Ihre Ansichten gibt sie, wenn die vier diskutieren, deutlich und mit Nachdruck zu verstehen. Bei Agnetha kommt das mitunter als überheblich an, als bevormundend. Wenn sie einmal etwas äußert, lächelt Frida darüber schon, bevor sie zu Ende gesprochen hat. Agnetha ist noch ein Teenager, wie sollte es anders sein, findet Frida. Und sie hat ja recht. Agnetha ist ziemlich unschuldig und hat auch kein großes Interesse an politischen Verhältnissen. Björn arbeitet zwar darauf hin, dass sie sich besser ausdrücken und über diese Themen sprechen kann, aber es fällt ihr schwer, und die Kontroverse über das Zigeunerthema sitzt ihr immer noch in den Knochen. Agnetha wollte einfach etwas über Zigeuner singen, nicht eine politische Meinung zum Ausdruck bringen. Sie findet, dass sich alle Menschen gut vertragen sollten und sieht keinen Sinn darin, über alles zu urteilen und zu argumentieren. Für sie ist das ein Zerreden. Eigentlich möchte Agnetha nur glücklich sein. Sie möchte Spaß haben, vielleicht eine Familie mit Björn gründen. Sie will sich im Leben nicht festlegen, schließlich ist sie noch jung und hat ja noch alles vor sich. Dafür scheint ihr Frida viel zu grimmig in ihren Denkweisen.
    Der Unterschied zwischen den Frauen wird sich auch in späteren Jahren nicht aufheben. Sie werden nie Freundinnen werden. Bei beiden wird sich vieles ändern, sie werden durch Phasen gehen, mal mehr, mal weniger beruflich und privat zusammen gezwungen Zeit verbringen. Aber sie werden einander trotz aller räumlichen Nähe fremd bleiben, und nichts miteinander anfangen können. Für Frida sind ABBA der Zusammenschluss von vier gleichberechtigten Personen, die ihre Aufgaben und Pflichten haben. Jeder muss seinen Teil zur Gruppe beitragen. Für Agnetha ist ABBA ein Werk der Liebe, das ist viel, aber auch nicht mehr. Die Gruppe muss Spaß haben und alle müssen einander lieb haben, dann ist die Gruppe auch etwas Gutes. Sonst kann man die Sache vergessen. Wenn Stress auftaucht, wird sie in späteren Jahren jammern und über Dinge meckern, und dann wird ihr Frida über den Mund fahren und sagen, dass sich Agnetha wie ein verwöhntes Kind aufführt. Und als sich Kälte in der Gruppe ausbreiten wird, wird Agnetha damit überhaupt nicht umgehen können, sich zurückziehen, und die Gruppe zuletzt zu Fall bringen, indem sie mehr und mehr ihre Leistung zurückfährt. Weil sie sich alleingelassen fühlen wird und unverstanden, und das vor allem von Frida, die vielleicht die Ältere sein mag und auch die Vernünftigere ist – aber eben nicht die Mütterliche, Beschützende, die sie auch sein könnte und die Agnetha in Zeiten der Krise brauchen wird.
    Der erste Schritt in die Richtung einer Gruppe fällt 1969 so aus, dass sich Benny um Fridas neue LP kümmert und Björn um Agnethas nächste LP. Letztere heißt „När En Vacker Blir En Sång“ (Wenn aus einem schönen Gedanken ein Lied entsteht) [4] , ein Werk zwischen dem Schlager, dem Agnetha bis jetzt ihren Erfolg verdankt, und leichten Anklängen von Pop. Es ist schwierig zu sagen, warum sich Björns Arbeit auf der Platte stilistisch eigentlich überhaupt nicht bemerkbar macht. Man könnte denken, dass immer noch ein Dieter Zimmermann die Regie führt. Vielleicht wollte Agnetha die Platte so. Bis auf den letzten Titel hat sie alle mitkomponiert, zum Großteil in Kooperation mit Björn. Man hat den Eindruck, dass sich beide bei ihrer ersten intensiven Zusammenarbeit kreativ nicht auf die Füße treten wollen und scharfe Kritikpunkte im Studio lieber vermeiden. Die Zusammenarbeit ist noch zu jung, um wirkliche Qualität erzeugen zu können. Später wird es heißen, die beiden hätten sich in dieser Zeit häufig miteinander gestritten und häufig