Agnetha Fältskog. Die Stimme von ABBA (Die ABBA-Tetralogy) (German Edition)
anderen entsteht, von denen einige heute Evergreens geworden sind. Die Frauen singen besser und besser, und die Männer liefern ihnen immer schönere Vorlagen, um musikalisch zu glänzen. Es bildet sich auch zwischen den vier eine wirkliche Band heraus, die es so in der Geschichte des Pop noch nicht gegeben hat, die Zusammenarbeit von zwei jungen Paaren, die kleine Kinder haben und alle alltäglichen Sorgen und Freuden junger Familien teilen. Das alte Klischee von Jungs, die eine Rockband gründen, um gemeinsam unterwegs zu sein und dabei auf die Pauke zu hauen, wird damit effektiv gebrochen. Von nun an wird es auch die „saubere“ Version einer Band geben, die keine Drogen nimmt, keine Hotelzimmer zerstört und „positive Energie“ verströmt.
Im Herbst 1972 werden Agnetha und Frida von ihren Plattenfirmen vertraglich freigegeben und gehen mit Björn und Benny ins Studio, um „People Need Love“ [9] einzuspielen. Der Titel des Lieds kann gut und gerne als Devise der sich gerade bildenden Band genommen werden. Sie tritt für die Liebe ein, und für Lebensbejahung. Die Stimmung, die ABBA verbreiten, ist angenehm, aufmunternd, unterhaltend, emotional. Trotzdem kann man diesen ersten Charthit von „Björn & Benny, Agnetha & Anni-Frid“, wie es damals heißt, noch nicht so recht ernst nehmen. Das Lied hat alberne Elemente – im Abspann jodeln die Damen darauf sogar. Und es klingt eher nach einem Schlager als nach Pop. Nicht zuletzt sind ABBA deshalb vor allem im deutschen Fernsehen damit erfolgreich, in deren ZDF-Hitparade dergleichen öfter zu hören ist. ABBA ist hier noch nicht ganz die Superband ABBA, hat aber immerhin schon einen Ohrwurm zu bieten. Zwischendurch wird der alte Gruppennamen „Festfolket“ benutzt, aber der von Stig Anderson geprägte alternative Name „Björn & Benny, Agnetha & Anni-Frid“ stellt deutlich klar, dass hier die Jungs noch hierarchisch vor die Mädchen gestellt werden, und Björn eigentlich als Star der Gruppe vorgesehen ist. Diese Rolle kann er und will er aber gar nicht ausfüllen. Nicht zuletzt wegen dieser Fehlkonstruktion bleibt dieser ersten Formation deshalb auch der große Erfolg verwehrt. Das Lied steigt in Deutschland in der Hitparade auf Platz 17 auf und ist auch das erste Lied von jedem der vier, das nicht nur in Europa Erfolg hat, sondern auch in die amerikanische Hitparade kommt. Zwar nur auf Platz 114, aber immerhin.
ABBA können es besser, und schon die Entscheidung, aus der Buchstabenfolge BBAA einen ausgeglichen Namen zu formen, bei dem eine der Frauen vorne steht, weist darauf hin, dass Agnetha und Frida sich nach „People Need Love“ zunehmend mehr in die Gruppe einbringen. Ohne den Beitrag der Frauen wären ABBA nie das geworden, was sie sind. Die Musik ist ohne die Stimmen der Frauen und der Harmonie, die dabei entsteht, undenkbar. Bei Konzerten wechselt die Aufmerksamkeit des Publikums nun mehr und mehr auf Agnetha und Frida, und Björn und Benny werden nahezu ausgeblendet. Jede der Frauen bringt in ihrem Lied eine besondere Form von Weiblichkeit zum Ausdruck. Aber auch im Studio bearbeiten die Frauen von ABBA wieder und wieder Ideen, die Björn und Benny für sie geschaffen haben, und das mitunter so lange, bis auch ein Hit daraus geworden ist. Dieser kreative Beitrag ist von ihrer Umgebung immer wieder heruntergespielt worden. Doch schon der zeitliche Ablauf beweist, dass es so gewesen sein muss: Agnetha und Frida befinden sich in den Jahren von 1972 und 1976 im Rausch der Gefühle. Sie leben ihre Liebe zu ihren Männern und blühen direkt auf der Bühne. In dem Augenblick, in dem ihre Liebe verlöscht, legt sich dann ein Schatten auf die Arbeit von Björn und Benny, der zuletzt das Abschiedsalbum „The Visitors“ von 1981 völlig verdüstert. Und nach der Zusammenarbeit mit Agnetha und Frida haben die Männer von ABBA keine Musik mehr geschrieben, die sich mit diesen Erfolgen vergleichen ließe. Weil die Veredelung der Songideen durch die Frauen ausgeblieben ist.
Die Geschichte von ABBA beginnt also im Grunde genommen im Jahr 1972, als sie an Liedern für ihre erste Langspielplatte arbeiten. Sie heißt „Ring Ring“ [10] und ist eine Sammlung von verschiedenen Arbeiten. Stolz sind alle Beteiligten über den Titelsong, der mit einer neuen Technik aufgenommen ist, die man in England „Wall of Sound“ nennt, ein besonders süffiger Klang, der dadurch entsteht, dass man Instrumente mehrmals hintereinander identisch einspielt und tontechnisch
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