Agnetha Fältskog. Die Stimme von ABBA (Die ABBA-Tetralogy) (German Edition)
die Bühne zu überlassen. Agnetha ist unter Kollegen beliebt. Sie kann mit Menschen umgehen, hat kein Ego, spielt nicht die Diva. Die Menschen spüren, dass sie auf die Bühne gehört, dass sie etwas kann. Es ist erstaunlich, dass Agnetha trotz des Zuspruchs und der vielen Erfahrungen, die sie schon seit den frühen 1960er Jahren macht, trotzdem immer etwas linkisch auf der Bühne bleiben wird. Sie entwickelt ihren Bühnenauftritt nicht, eignet sich nicht das Rüstzeug einer Performerin an. Tanzeinlagen oder andere Showeffekte scheut sie eher. Agnetha hat das Tanzen insgesamt nicht besonders im Blut, obwohl sie sich gut bewegen kann, wie man später bei ABBA sehen wird. Aber sie tanzt nicht gern. Erst bei ABBA wird man sehen, dass Agnetha ein gutes Rhythmusgefühl hat und auch kompliziertere Choreographien problemlos bewältigen kann. Doch von sich aus tanzt sie eher nicht, sieht sich primär als Musikerin, die die Musik über alles andere stellt.
Das einzige Problem für Agnetha in dieser Zeit ist die Sorge ihrer Eltern, dass ihre Tochter durch die „schlechte“ Umgebung verdorben werden könnte.
Bernt: „Am Anfang musste ich mehrmals mit ihren Eltern reden. Es war ganz klar, dass die aus dem Häuschen waren. Ein 16jähriges Mädchen, das mit sechs Typen in einem kleinen Lieferwagen eingequetscht durch ganz Schweden fährt? Ich bitte Sie.“
Anfänglich begleitet Ingvar seine Tochter deshalb auch mehrmals zu den Auftritten, um zu dokumentieren, dass weiterhin noch mit seiner väterlichen Autorität gerechnet werden muss.
Bernt: „Ich hatte ihm versprochen, dass wir sie in Ruhe lassen, und dass ich aufpassen würde, dass sie keinen Blödsinn macht.“
Birgit, Agnethas Mutter: „Ich bin viele Nächte wach gelegen, um drei Uhr oder vier Uhr, und sie war immer noch nicht da. Ich glaube, das ist normal bei einer Mutter. Ich machte mir unheimliche Sorgen.“
Agnetha bewältigt den Stress und die Anfechtungen der Tourneen aber ganz gut und fällt auch bei ihrem Job unter der Woche nicht unliebsam auf. In ihrer Freizeit sitzt sie weiterhin viel am Klavier und schreibt Lieder, denn sie hat ihre Träume einer großen Karriere noch nicht vergessen. In letzter Zeit aber mischt sich noch ein anderes Element in ihre Kreativität. Agnetha merkt, dass die Musik auch ein gutes Ventil für Emotionen ist.
Agnetha: „In diesem Alter ist man immer wieder unglücklich verliebt, und wenn das bei mir so war, wollte ich meine Gefühle ausdrücken. Es tat mir gut, davon zu singen, dass ich starke Gefühle hatte oder traurig war.“
Agnetha hat mit 16 Jahren ihren ersten festen Freund, Björn Lilja. Die Beziehung ist stürmisch. Mal sind die beiden zusammen, dann wieder nicht. Sie sind beide Egozentriker, wie Agnetha später feststellen wird. Und sie wissen beide noch nicht so recht, was sie wollen.
Agnetha: „In den meisten Fällen war ich die, die ihn verlassen hat. Aber ich habe es jedes Mal bereut und dann hat es wieder angefangen.“
Als sie Björn Lilja 1967 endgültig verlässt, schreibt sie ein Lied, das sie berühmt machen wird. Es heißt „ Jag var så kär “ (Ich war so sehr verliebt), eine gefühlvolle Ballade, die bei den Konzerten der Bernt Enghardt Band schnell zum Publikumsliebling aufsteigt.
Der Weg dorthin ist allerdings lang. Agnetha ist unglaublich scheu. Sie braucht ein paar Monate, bis sie das Lied Bernt überhaupt vorzuspielen wagt. Darüber reden kann sie nicht, aber während einer Probe setzt sie sich dann plötzlich ans Klavier und beginnt zu singen und die anderen finden es klasse. Jeder hört, dass dieses Lied musikalisch weit über das hinausgeht, was sie sonst so spielen. Es ist bester, süffiger Pop, und im Schweden der frühen 1960er Jahre ist ein Lied dieser Art sensationell, aufregend und neu.
Bernt: „Sie war total schüchtern, aber wir sagten: Das ist toll! Wir machen da ein Arrangement dazu und nehmen es in unserer Show auf. Nein, wirklich? fragte sie und ich meinte: Du hast ein Händchen für so was. Wenn wir es geschickt anstellen, kommst du damit in die Hitparade!“
Wenn man berücksichtigt, wie intensiv Agnetha auf ihren Durchbruch hingearbeitet hat, ist es nicht ganz glaubwürdig, dass sie zufällig entdeckt worden sein soll. Die Geschichten, die in dieser Hinsicht immer wieder erzählt wurden, sind charmant, aber wohl nur zum Teil richtig. Die glaub-würdigste davon geht so: Ein Verwandter eines Bandmitglieds, Karl Gerhard Lundkvist, der sich Little Gerhard nennt, ist
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