Agnetha Fältskog. Die Stimme von ABBA (Die ABBA-Tetralogy) (German Edition)
sein, aufgenommen, das erste Mal als sie selbst akzeptiert zu werden. Sie hat das Gefühl, Zuhause zu sein. [2] Dieses Gefühl gibt ihr Sicherheit und Kraft bei den Aufnahmen, verleiht ihr die Natürlichkeit, von der die Menschen schwärmen werden und bewirkt auch, dass Agnetha in der schwedischen Pop-Welt innerhalb weniger Wochen einschlagen wird wie eine Bombe.
Little Gerhard: “Wir gingen ins Studio, und Agnetha fing an zu singen. Es war atemberaubend. Ich weiß es noch ganz genau. Nachdem wir die Leadvocals aufgenommen hatten, habe ich sie gefragt, ob sie auch die zweite Stimme dazu singen könnte. Sie sagte auf Anhieb: Okay, kein Problem. Ich war so beeindruckt von ihrem Können und ihrer Auffassungsgabe, dass ich zu dem Techniker sagte: Das ist ein Volltreffer. Das wird ein Star. Was für eine phantastische Stimme!“
Auch der Chef der Plattenfirma ist begeistert. Er bekommt es allerdings an dem Tag sofort mit Agnethas Vater zu tun, der als ihr Manager fungiert. Ingvar handelt mit Cupol sogleich einen ungewöhnlich guten Vertrag aus. Agnetha bekommt 75.000 Kronor garantiert im Jahr als Vorschuss auf ihr Konto überwiesen, und für jede verkaufte Single 0,21 Kronor Tantiemen. Das sind Einkünfte, die sich sehen lassen können. Davon kann man leben, wie ihr Vater anerkennend feststellt.
Für Agnetha geht das alles viel zu schnell. Sie steht völlig unter dem Eindruck der Plattenaufnahmen, ist im siebenten Himmel. Auf der Heimfahrt aber merkt sie erst, was in ihrem Vater an Talenten steckt. Sie ist sehr beeindruckt davon, dass er hart für sie verhandelt hat. Sie fühlt sich bei ihm nicht nur als Kind, sondern auch als Klientin gut aufgehoben. Ingvar wird sich von nun an um Engagements und das Finanzielle kümmern und sie wird ihrer Musik leben. Sie hätte nicht gedacht, dass er so ein gewiefter Geschäftsmann ist. Von nun an wird Ingvar für Agnetha die Buchhaltung machen und in Zusammenarbeit mit Cupol einzelne Auftritte organisieren. Erfahrung in diesem Geschäft hat er ja. Er kennt die Szene und die Konzertsäle. Seine wichtigste Aufgabe allerdings ist erst einmal die, den überschäumenden Enthusiasmus seiner Tochter einzubremsen.
Ingvar: „Agnetha war so aufgeregt und wollte anfangs jedes Angebot annehmen, das sie bekam. Aber Papa, wir kriegen doch nie mehr als 800 Kronen pro Abend! hat sie gerufen. Sie hat gar nicht verstanden, dass man für sie schon weitaus bessere Bedingungen aushandeln konnte. Zumindest, als sie dann ihren ersten Hit hatte.“
Das Zusammenspiel mit ihrem Vater weist auf die spätere Ehe mit Björn Ulvaeus voraus, der mit der Heirat automatisch alle Managerfunktionen übernehmen wird. Diese Ehe beruht also von Anfang an auf einer geschäftlichen Basis. Komplizierend aber tritt hinzu, dass Agnetha in Björn nie den Künstler erkennen wird, der er ja auch nebenbei ist. Im Gegensatz zu Ingvar Fältskog kann nämlich auch Björn Hits schreiben und ist ein begnadeter Texter. Doch in Agnethas Augen wird seine Rolle immer darauf beschränkt sein, hauptsächlich Manager und Familienvater zu sein.
Wie geht es 1967 weiter? Erst mal gar nicht. Agnetha ist wieder in Jönköping in ihr altes Leben zurückgekehrt, geht wieder jeden Morgen zu ihrem Job in die Telefonzentrale und spielt mit ihrer Band am Wochenende auf Betriebs-festen. Von Stockholm hört sie nichts. Das liegt daran, dass Cupol einen Fehler macht, in den auch alle anderen Plattenproduzenten wieder und wieder schlittern werden, wenn es um Agnetha geht. Man traut ihr letztendlich als Komponistin nichts zu. Sie ist eine süße Blonde ohne besondere Begabung, so die Devise. Für diesen Ruf wird Agnetha teilweise selbst verantwortlich sein. Sie ist einfach zu nett und zu schüchtern, um sich in diesem kalten Geschäft durchzusetzen. Aber es ist auch die Sturheit der Plattenfirmen, die immer nur auf der Suche nach Hits sind und das Talent der Schwedin aus der Kleinstadt deshalb gar nicht wahrnehmen können. Und es ist auch die Voreingenommenheit einer Männerclique gegenüber einer Frau, die den offenen Blick auf Agnetha behindert. Man kann sie zwar dafür brauchen, eigene Produkte einzusingen und auch auf der Bühne zu verkörpern, aber was sie selbst als Künstlerin zu sagen hat, interessiert immer nur am Rande. Schon bei ihrem ersten Gang ins Studio hat man Agnetha dazu gezwungen, ein fremdes Lied zu covern. Es heißt „Hello Love“, und war für Julie Grant in England ein Hit. Das wird jetzt von Agnetha immerhin selbst
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