Agnetha Fältskog. Die Stimme von ABBA (Die ABBA-Tetralogy) (German Edition)
übernehmen, und Agnetha ist eifrig bemüht, etwas zu lernen, doch Anderssons Kenntnisse sind beschränkt. Eigentlich müsste das Kind auf ein Konservatorium, doch das ist im Schweden der Nachkriegszeit in einer Kleinstadt undenkbar.
Hinzu kommen gesellschaftliche Grenzen. Agnetha wächst in einer konservativen Gegend auf, in der viele Frauen vor allem dafür prädestiniert scheinen, ihr Leben als Hausfrau und Mutter zuzubringen. Ein Leben als eigenständige Komponistin erscheint undenkbar. Frauen scheinen dafür geboren zu werden, Kinder zu gebären und aufzuziehen. Und mit diesem Bild einer Frau am Herd hat Agnetha eigentlich auch von Anfang an kein wirkliches Problem. Sie muss aus ihrer Leidenschaft keinen Beruf machen. Ganz im Gegenteil. Eigentlich ist es ihr Wunschbild, Kinder zu haben und zu Hause bei den Kindern zu bleiben. Sie kann diese Zeit kaum erwarten.
Das Leben aber hat mit ihr anderes vor. Dass sie gut singen kann und bei den Menschen ankommt, merkt sie früh. Sie ist fast so etwas wie ein kleiner Kinderstar, denn ihr Vater schleppt sie schon früh auf die Bühne. Im Jahr 1956 betritt Agnetha als Sechsjährige anlässlich einer Feier, die ihr Vater organisiert hat, das erste Mal die Bretter, die (eher Menschen wie ihm) die Welt bedeuten und trägt dabei „Billy Boy“ [1] vor, ein damals sehr populäres Lied. Eine eigene Erinnerung an dieses Ereignis hat Agnetha eigentlich nicht. Doch da der Tag als Anekdote später wieder und wieder erzählt werden wird, kann sie die Geschichte als Erwachsene aus dem Eff-eff, wenn es später in einem Pressegespräch wieder einmal um ihre Kindheit geht.
Agnetha: „Ich stand auf der Bühne und sang zum ersten Mal ein kleines Lied vor Publikum. Mittendrin riss auf einmal das Gummiband meiner Hose, sodass sie mir auf die Knöchel herunterrutschte. Der Saal brach in Gelächter aus. Ich kann mich selbst gar nicht mehr daran erinnern, meine Mutter hat es mir später erzählt. Um ehrlich zu sein: Ich habe die Geschichte natürlich immer wieder zu hören bekommen.“
Trotz der Peinlichkeit: Die Bühnenpräsenz der Kleinen haut die Leute schon damals um.
Agnetha: „Es ist ein Wunder, das ich mich danach noch einmal auf die Bühne gewagt habe. Aber ich konnte das, obwohl es manchmal so war, dass ich in der Schule ein Gedicht vortragen musste, und nervös war zum Umsinken, aber ich habe das immer durchgestanden. Ähnlich war es dann später. Egal, wie schlecht es mir ging, ich habe mich nicht dabei beirren lassen, die Sache durchzuziehen, wenn es etwas vorzutragen galt.“
Ihre Eltern schenken ihr zum Geburtstag einen kleinen gelben Plattenspieler und jede Menge Platten, mit denen sie mitsingen kann, während sie sich vor dem Spiegel die Zahnbürste als Mikrophon vor den Mund hält.
Wenn man die kleine Agnetha nach ihrem Berufswunsch fragt, hat der deshalb immer etwas mit Musik zu tun. Anstatt mit Freundinnen Puppen zu spielen, sitzt sie zu Hause lieber am Klavier. Und sie spielt regelmäßig Orgel in der Kirche und lernt dabei andere musikalisch Interessierte aus ihrer Gemeinde kennen. Da ist es nur konsequent, dass Agnetha schon mit 13 Jahren eine eigene Band zusammenstellt, die sich aus ihren besten Freundinnen zusammensetzt, Lena Johansson und Elisabeth Strub. Das ist etwas, was man im Jahr 1963 einfach macht, während die Beatles-Mania durch die Welt fegt. Plötzlich wollen alle Musiker sein. Die Mädchengruppe aus Jönköping nennt sich „The Cambers“ und ist eine Vokalgruppe, die sich vor allem der Aufgabe gestellt hat, Agnethas Kompositionen zu Gehör zu bringen. Sie klingen ein bisschen wie die frühen Beatles, haben einen Schuss Rock'-n'-Roll in sich, sind folksig. Sie treten zu allen möglichen Anlässen auf, bei Veranstaltungen von Agnethas Vater, im Volkspark oder bei privaten Feiern. Agnetha schreibt nicht nur die Musik, sie hat auch die beste Stimme. Aber sie lässt das die anderen nicht merken. Sie kennt kein Ego und keine Eifersucht und ist eine gute Freundin, die vor allem eines haben will: Viel Spaß mit den anderen.
Lena Johansson: „Wir waren unzertrennlich. Wir machten alles zusammen und hatten so viel Spaß. Manchmal gingen wir zum Tanzen weg, aber meistens waren wir beisammen und sangen.“
Die Mädchen proben lange und ausführlich im Wohnzimmer von Agnethas Eltern, wohlwollend betrachtet von den Fältskogs, die sich langsam mit dem Gedanken anfreunden, dass ihre Tochter ins Musikgeschäft einsteigen will. Ist es eine vorübergehende
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