Aibon-Teufel
etwas hier in der Stadt zu erledigen?«
»Nein, nichts.«
»Aber du hast Hunger?«
Ich musste lachen. »Sieht man mir das an?«
»Irgendwie schon.«
»Dann stimmt es auch...«
***
Ein Leichenschmaus oder ein Reueessen kann lange dauern und sich bis in den späten Abend hinziehen. Das endete zumeist in einem großen Besäufnis, doch in diesem Fall nicht.
Harold Holbrook hatte von Beginn an klargestellt, dass er so etwas nicht wollte. Er hatte vor, noch am Abend zum Grab seiner Frau zu gehen und dort alles zu richten.
Das wurde akzeptiert, denn jeder aus dem Ort hatte auf dem Totenacker einen Verwandten liegen.
Gut, einige Schnäpse hatte er mit den anderen getrunken, aber nicht zu viele. Er musste nüchtern bleiben, um seine Arbeit hinter sich bringen zu können.
Der Ort lag zwar ziemlich abseits, aber Autos gab es schon, und auch Harold Holbrook fuhr einen Wagen. Nachdem er sich von der Beerdigungsgesellschaft verabschiedet hatte, ging er zu seinem Haus. Im nach vorn hin offenen Schuppen stand der Pick-up, den er vor zwei Jahren einem Bauern abgekauft hatte, als dieser freiwillig nach Dundee gezogen war, um dort seinen Lebensabend zu verbringen. Da hatte Holbrook zugegriffen, und er war mit dem amerikanischen Fabrikat sehr zufrieden.
Der Tag war grau geblieben, aber es hatte keinen Schnee gegeben. Dafür würde die Dämmerung bald wieder anbrechen, und als Harold den Wagen aus seinem Schuppen fuhr, dachte er daran, dass vor zwei Tagen um diese Zeit seine Frau gestorben war. Jetzt lag sie in der Kiste, die von Lehm bedeckt war.
Lange würde das nicht mehr so sein. Er hatte es ihr versprochen, und er würde dieses Versprechen auch halten.
Das Ziel war der Friedhof, über dem ebenfalls die Wolken hingen, als wollten sie all die Toten beweinen, die unter den Kreuzen und Steinen lagen.
Er blieb auf dem Weg allein. Niemand besuchte den Ort des Todes um diese Zeit. So konnte er sicher sein, dort allein seiner Arbeit nachzugehen.
Er stellte den Pick-up am Rand des Friedhofs ab und nahm noch etwas Werkzeug mit. Dann stampfte er über den weichen, mit Schneeresten bedeckten Boden auf das frische Grab zu.
Es sah aus wie noch vor einigen Stunden. An ihm und in der nahen Umgebung hatte sich nichts verändert. Aus dem Lehmhaufen ragte noch der lange Stiel der Schaufel, und wenn er in das Grab schaute, lag dort die Erde auf dem Sarg und verteilte sich zu beiden Seiten der Totenkiste.
Es war noch hell, so brauchte er kein Licht, als er in das Grab stieg. Er hatte sich kurz zuvor umgeschaut und niemanden gesehen, der ihn hätte beobachten können.
Seine Füße versanken im Schmutz. Holbrook bückte sich. Es sah so aus, als wollte er den Sarg vom Boden her in die Höhe wuchten, nur traf das nicht zu. Er hatte etwas anderes vor.
An beiden Längsseiten musste er Platz schaffen, um an die Schlösser heranzukommen.
Es war kein Problem, den Sarg zu öffnen. Das Werkzeug brauchte er nicht. Er nahm nur seine Hände zu Hilfe und zerrte den Sargdeckel hoch, nachdem er die Klappschlösser geöffnet hatte.
Das Gewicht des Deckels trieb ihn bis gegen die Wand der Grube zurück. Der schwere Gegenstand rutschte ihm nicht aus den Händen. Er stellte ihn hochkant ans Kopfende des Grabs. Dann erst richtete er seinen Blick nach unten.
Es war hell genug, um die Tote erkennen zu können. Liane hatte sich ein bestimmtes Kleid gewünscht, das man ihr anziehen sollte, wenn sie einmal gestorben war.
Daran hatte sich der Witwer gehalten. Er hatte Liane sogar selbst umgezogen. Als Leichnam trug sie ihr dunkelrotes Samtkleid, auf das sie früher immer so stolz gewesen war. Es bestand aus einem sehr feinen Stoff. In der Mitte hielten helle Knöpfe die beiden Hälften des Kleides zusammen. Von der Länge her reichte es über die Waden hinweg, und Harold hatte auch für Schuhe gesorgt.
Er schaute seine Frau an.
So bleich war sie. Noch im Tod sah sie viel jünger aus, als sie es tatsächlich war. Das jedenfalls kam ihm so vor. Der Mund mit den geschlossenen Lippen schien zu lächeln, als wollte sie dem Zurückgebliebenen Mut für sein Leben geben.
Das graue Haar war zurückgekämmt worden. Hinter dem Kopf wurde es von einer Spange gehalten. Liane sah wirklich aus, als würde sie schlafen, und Holbrook konnte sich kaum vorstellen, dass dieser Körper einmal verwesen oder von Würmern und Käfern vertilgt würde.
Er weinte.
Die Tränen flössen, und es gelang ihm nicht, sie schnell abzustellen. Seine Frau lag vor ihm. Sie würde nicht
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