Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen
der Nachbarschaft. „Wir können nicht die ganze Nacht hier draußen herumstehen.”
„Das machen wir auch nicht”, murmelte sie, ließ sich auf die Knie sinken und begann, in einem Blumenbehälter aus roten Ziegeln herumzuwühlen.
„Was machst du da?”
„Etwas, wovon ich mir geschworen habe, es nie zu tun.” Ihre Finger strichen durch klebrige Erde und suchten den Schlüssel, den Jack unter den Geranien vergraben hatte. Er war auch da, wo er sich immer befunden hatte. Sie stand auf und putzte die Erde von ihren Händen. „Aber es gibt Grenzen für meinen Stolz. Eine Todesdrohung ist eine solche Grenze.” Sie führte den Schlüssel ein und verspürte für einen Moment Panik, als er sich nicht drehen ließ. Aber mit etwas Rucken gab das Schloss endlich nach. Die Tür schwang auf.
Sie winkte Victor nach drinnen. Der solide Schlag, mit dem sich die Tür hinter ihnen schloss, schien alle Gefahren der Nacht auszuschalten. In Dunkelheit gehüllt, seufzten sie beide erleichtert auf.
„In welcher Beziehung stehst du eigentlich zu deinem Exmann?” fragte Victor, während er ihr blindlings durch die dunkle Diele folgte.
„Wir sprechen miteinander, wenn auch äußerst sparsam.”
„Es stört ihn nicht, wenn du in seinem Haus herumwanderst?”
„Warum sollte es?” Sie gab einen verächtlichen Laut von sich. „Jack lässt die Hälfte der menschlichen Rasse durch sein Schlafzimmer wandern. Die einzige Voraussetzung sind XX-Chromosome.”
Sie tastete sich durch den pechschwarzen Wohnraum und drückte den Lichtschalter. Dann gefror sie und starrte auf die beiden nackten Körper, die verschlungen auf dem Eisbärenfell lagen.
„Jack!” platzte sie heraus.
Der größere der beiden Körper löste sich und setzte sich auf. „Hallo, Cathy!” Er fuhr sich mit den Fingern durch die dunklen Haare und grinste. „Wie in alten Zeiten.”
Die Frau neben ihm spuckte ein schockierendes Schimpfwort aus, raffte sich auf und stürmte in einem Wirbel aus roten Haaren und nacktem Hinterteil Richtung Schlafzimmer.
„Das ist Lulu.” Jack gähnte bei der Vorstellung.
Cathy seufzte. „Wie ich sehe, hat sich dein Geschmack bei Frauen nicht verbessert.”
„Nein, Süße. Mein Geschmack bei Frauen hat einen Höhepunkt erreicht, als ich dich heiratete.” Ohne sich an seiner Nacktheit zu stören, stand Jack auf und betrachtete Victor. Der Kontrast zwischen den beiden Männern wurde sofort sichtbar. Beide waren groß und schlank, aber Jack war derjenige, der das mitreißend gute Aussehen besaß, und er wusste es. Er hatte es immer gewusst. Eitelkeit war ein Etikett, das man dagegen Victor Holland nicht ankleben konnte.
„Ich sehe, du hast einen Vierten mitgebracht”, sagte Jack und musterte Victor vom Scheitel bis zur Sohle. „Was soll es denn sein, Leute? Bridge oder Poker?”
„Weder noch”, erwiderte Cathy.
„Das eröffnet alle erdenklichen Möglichkeiten.”
„Jack, ich brauche deine Hilfe.”
Er sah sie mit gespieltem Unglauben an. „Nein, wirklich?”
„Du weißt verdammt gut, dass ich nicht hier wäre, wenn ich es vermeiden könnte!”
Er blinzelte Victor zu. „Glauben Sie ihr nicht. Sie ist noch immer rasend in mich verliebt.”
„Könnten wir ernst werden?”
„Liebling, du hast nie Humor gehabt.”
„Zum Teufel mit dir, Jack!” Jedermann hatte einen Knackpunkt und Cathy hatte soeben den ihren erreicht. Sie konnte nicht anders. Ohne Vorwarnung brach sie in Tränen aus. „Wirst du mir nur ein einziges Mal in deinem Leben zuhören?”
Victor riss der Geduldsfaden. Dieser Jack war ein Kretin erster Klasse. Er zog Cathy in seine Arme und grollte über ihre Schulter hinweg einen Fluch, der nicht nur Jacks Namen beinhaltete, sondern auch Jacks Mutter erwähnte.
Jack störte sich nicht daran, wahrscheinlich, weil er ständig Schlimmeres geheißen wurde. Er verschränkte nur die Arme und betrachtete Victor mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Wir entwickeln Beschützerinstinkte, nicht wahr?”
„Sie muss beschützt werden.”
„Und wovor, wenn ich demütigst fragen darf?”
„Vielleicht haben Sie es nicht gehört. Vor drei Tagen hat jemand Cathys Freundin Sarah ermordet.”
„Sarah … Boylan?”
Victor nickte. „Und heute Abend hat jemand versucht, Cathy zu töten.”
Jack starrte ihn an, blickte dann zu seiner Exfrau. „Ist das wahr, was er da sagt?”
Cathy wischte die Tränen weg und nickte.
„Warum hast du mir das nicht gleich erzählt?”
„Weil du dich gleich wie ein
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